Einkauf

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Gleich mehrere meiner Freunde haben gemeint, ich solle doch in der Kolumne diese „lustige“ Geschichte erzählen.

Gleich mehrere meiner Freunde haben gemeint, ich solle doch in der Kolumne die „lustige“ Geschichte erzählen, wie ich kurz vor Ladenschluss in den Supermarkt hetzte, schnell an den Einkaufswagen vorbei, dann so viel einsammelte, dass alles locker in zwei Einkaufswagen gepasst hätte, und mich mit dem Produktberg in den Händen an der Kassa anstellte (und die Schlange natürlich so lang wie die Strecke Wien–Kapstadt war), als plötzlich meine Kraft dahinschwand und der noch nicht bezahlte Einkauf Richtung Boden rollte, inklusive dem Ein-Euro-zwanzig-Litschi-Frizzante, der nach dem Bodenkontakt nicht so dezent zerschellte. (Ja, der Frizzante ist unsaufbar. Nein, ich kann mir nicht logisch erklären, warum ich das kaufe.) Schrecksekunde. Alle Augen sind auf mich gerichtet und ich stehe wieder einmal da wie der letzte Neandertaler. „Seid ihr wahnsinnig?“, habe ich meine Freunde geschimpft, „was werden die Leser von mir denken, wenn ich die Geschichte erzähle?“ Als hätt' ich gar keinen Genierer.

In Wahrheit beschäftigt mich und alle anderen Wiener Exil-Vorarlberger ein einziges Thema: die durch die teilweise Erneuerung der Westbahnstrecke verkürzte Fahrt von Wien nach Bregenz. Es kommt mir vor wie gestern, da hat die Reise noch acht Stunden gedauert. Der neue Railjet hat uns dann über eine Stunde geklaut, und jetzt das: 6 Stunden 38 Minuten! Da rentiert es sich nicht einmal, sich hinzusetzen! Und der Bregenzer Bahnhof, der war in den Tagen vor Weihnachten nun wirklich kein Ort des Friedens: Verstörte Reisende irrten ob der frühen Ankunft planlos umher, mit gerade ausgepackten Extrawurstsemmeln in der Hand und verkehrt angezogenen Jacken, ein paar Reisende waren überhaupt im Zug geblieben, ein Student wollte die Polizei rufen, Frauen weinten, Kinder schrien, es war grausam.

Wenn die Fahrt nach Bregenz irgendwann nur noch fünf Stunden dauert, kann ich gleich in Wien bleiben. Bodensee hin, Bodensee her.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2013)

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