Körperkontakt und Türen als Feinde in Wiens U-Bahn

U-Bahn in Shinjuku
U-Bahn in ShinjukuEPA
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Die Idee des Fahrgastverdichters hat im öffentlichen Verkehr Wiens noch nicht Einzug gehalten.

Die Idee des Fahrgastverdichters hat im öffentlichen Verkehr Wiens noch nicht Einzug gehalten. Das wundert nicht, schließlich steht Körperkontakt auf der Liste der Höllenqualen in Wien ganz weit oben – und Mitarbeiter, die zur Stoßzeit Menschen in die Waggons drücken, um den für Fahrgäste zur Verfügung stehenden Raum möglichst effektiv zu nutzen, würden mit dieser Verdichtung Körper aneinanderdrücken, deren Anziehungskraft ohne fremde Hilfe eine eher negative wäre. Der Bahnhof Shinjuku in Tokio, wo in der Rushhour weiß behandschuhte Kräfte die Züge mit Fahrgästen volldrücken, scheint also eher kein Vorbild für Wien zu sein. Auch die Moskauer Mentalität passt nicht so recht zur Vorstellung, die man in Wien von gedeihlichem Zusammenleben im öffentlichen Raum hat.

Hier braucht es erst gar keinen externen Mitarbeiter, der Menschen in schon übervolle Waggons drängt – darum kümmern sich die Fahrgäste selbst, die keinesfalls warten wollen, bis innerhalb von eineinhalb bis drei Minuten die nächste Garnitur einläuft. Auch beim Eingang in ein Stationsgebäude ist diese auf das eigene Ich gerichtete Geradlinigkeit deutlich stärker ausgeprägt als in Wien. Wer etwa erwartet, dass der Vordermann in der Station Partisanskaja darauf achtet, was mit der hölzernen Schwingtür passiert, sobald er sie passiert hat, muss damit rechnen, dass er sie gleich auf der Nase kleben hat.

Nutzer der Wiener Vorortelinie können von gänzlich anderen Erfahrungen erzählen. In der Station Ottakring wird etwa brav die Tür aufgehalten, bis der Nachkommende seine Hand daraufgelegt hat. Innerlich murrend zwar ob der Verzögerung, aber doch. So viel Höflichkeit muss sein. Apropos – gerade an den alten Otto-Wagner-Stationen wie Gersthof, Hernals oder eben Ottakring merkt man schön, dass sie dereinst nicht für so viele Menschen geplant wurden, wie jetzt zur Stoßzeit durch die engen Türen in das Stiegenhaus strömen. Hoffentlich kommt hier nur niemand auf die Idee, Fahrgastverdichter auf die Stiegen zu stellen!

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2013)

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