Wir schenken einander eigentlich nichts

Weihnachtsgeschenk
Weihnachtsgeschenk(c) Rolf Vennenbernd
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Es wäre gar nicht schwer, Geschenke zu finden. Wenn nur die Hinweise nicht so dezent wären.

Die ganze Familie zerbricht sich den Kopf, was sie einem nahen Verwandten, den sie sehr mag, zu Weihnachten schenken könnte. Angeblich hat er schon alles, und was er sich wirklich wünscht, ist entweder unerschwinglich oder schwer zu erfüllen (der ganz große Fisch am Haken, der perfekte Tiefschneehang).

Der Betroffene weiß nicht, dass sich alle die Haare raufen, und meint, er sei einer der wenigen Menschen, die leicht zu beschenken seien. Er habe keine großen Ansprüche, freue sich über alles und habe außerdem viele dezente Hinweise fallen gelassen. Hallo? Er wird wahrscheinlich einen Gutschein bekommen. In einer Familie geht es stets um existenzielle Fragen, auch wenn es nur um das Abendessen geht, da gehen dezente Hinweise leider völlig unter.

Mich fragt ja niemand, was ich mir wünsche, ich hätte so viele gute Ideen. Es wäre schön, ein Foto zu bekommen, ordentlich ausgearbeitet, möglicherweise sogar in einem Rahmen. Keinen Link, über den man sich 386 Fotos digital ansehen kann, keine jpgs, keinen digitalen Fotorahmen mit Diashow. Jemand soll diese Entscheidung treffen, die keiner mehr trifft, nämlich aus viel zu vielen Bildern ein einziges Foto auszusuchen, das die Jahre überdauert.

Es wäre auch schön, wenn manche der langen E-Mail-Dialoge aufbewahrt würden, auf Papier. Wenn man dann so durch die Momentaufnahmen blättert, ergibt sich ein Erzählstrang, flüchtige Alltagsbemerkungen fügen sich zu einem Erinnerungsmosaik voller Farbe. Schade um vieles, was in der Mailbox verloren geht.

Schön wäre auch, sich nicht auszumachen, einander nichts zu schenken. Einer hat dann doch immer etwas, das quasi nichts ist, aber dann doch mehr ist als das Nichts, das der andere hat. Der kann sich dann über nichts so richtig freuen.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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