Daheim

(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
  • Drucken

Ja, ja, ich ja auch.

Ja, ja, ich ja auch. Der Zug Richtung Bregenz ist noch nicht abgefahren, aber beim Gedanken an die Ankunft daheim haben wir schon 100 Kilo zugenommen. Ich ja auch, dabei feiere ich Weihnachten nicht einmal, aber wir in der Parallelgesellschaft fallen aus Gründen der Solidarität auch über den Kühlschrank her, sonst heißts wieder integrationsunwillig und alles.

Du bist also daheim. Du verpasst den Bus, und der nächste fahrt am nächsten Tag. Du spazierst die Dorfstraße entlang, und der einzige Mensch, dem du begegnest, ist eine Katze, die sich als Marder herausstellt. Um die Zeitung zu kaufen, musst du wie ein mittelalterlicher Kreuzritter mühsamst eine Schlammstraße entlangrobben, nur um zu erfahren, dass die Trafik geschlossen ist. Aber du bist zufrieden, egal, was passiert, denn du bist daheim, in Vorarlberg, dem schönsten aller Schweizer Kantone. Gut, du bist fast zufrieden. Einer lokalen Zeitung entnimmst du nämlich folgende Schlagzeile (in der Onlineversion, weil Trafik zu): „Englands größter Haschdealer hauste auch in Vorarlberg“. Warum auch immer: Den Haschdealer hat es nach Vandans verschlagen, dort bei St.Anton, wo sich die Skimenschen aufhalten. In Vandans also gab sich der freche Kriminalbruder als Geschäftsführer einer Blumenimportfirma aus, und da hast du ihn schon, den britischen Humor. Lang war der Blumenhändler jedenfalls nicht im Ländle, denn britischer Humor verträgt sich nicht mit unserer ehrlichen Mentalität. Vorarlberger sind grundsätzlich nicht zynisch beieinander. Als Vorarlberger lachst du nicht über Witze, die auf Kosten anderer Menschen gehen, außer du bist Teenager und hast in der Blumenimportfirma eingekauft. Du willst keinen Stress verursachen. Wenn du einen Menschen siehst, wechselst du die Straßenseite, um eine Kollision zu verhindern.

Du bist also daheim. Du hast Frieden und Freude (der Blumenbrite wurde verhaftet), du machst in Sachen Essen ein paar Überstunden, du besuchst Freunde und Familie, und mit ein wenig Pein denkst du an die Rückkehr nach Wien und an all die Menschen dort, die noch so viel von uns lernen könnten.

E-Mails an:duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.