Alles gut

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Ist es nur eine verklärte Erinnerung, oder standen früher auf den Klingelschildern von Häusern mehr Namen?

Vor allem bei neueren Wohnanlagen lassen die Schilder kaum mehr einen Rückschluss darauf zu, wer hier eigentlich wohnt. Was mitunter dazu führt, dass man als Besucher vor der Haustür noch schnell das Handy zücken muss, um nachzufragen, bei welcher Nummer man denn nun eigentlich anläuten muss. Schade ist das Verschwinden der Namensschilder auch deswegen, weil damit viel der kindlichen Freude verloren geht, die sich beim Lesen von Namen einstellt – die auch eine Ahnung davon geben, wie sich das Minisoziotop Wohnanlage wohl zusammensetzt. Statt bei tschechisch, bosnisch oder türkisch klingenden Namen über die Migrationsgeschichte der Stadt sinnieren zu können, wird maximal die Fähigkeit des Zahlenmemorierens geschult – viel mehr ist aus den Türnummern, die immer häufiger das Gesicht der Klingelanlage prägen, nicht herauszuholen. Wobei der Monokultur der Zahlen gerne noch ein versteckter Imperativ vorangestellt wird, dass wir das alles gefälligst gut zu finden haben: Top. Wie ein dauergrinsender Animateur im All-Inclusive-Urlaub ständig mit nach oben gestrecktem Daumen die Pflicht zur guten Laune einmahnt, fordert Top 1 bis Top 32 den Klingler zum zustimmenden Kopfnicken geradezu heraus. Standing on top of the world, baby!

Andererseits, etwas gut zu finden ist in notorisch schlechten Zeiten ja auch nicht so schlecht. Nehmen wir den Optimismus einfach mit und denken an eine hübsche Phrase, die sich ähnlich wie das Top auf den Türklingeln seit einiger Zeit eingebürgert hat: Alles gut. Kaum ein Dialog, kaum eine Beilegung eines Streits, kaum ein Nachfragen nach dem Befinden, in dem diese zwei Wörter nicht auftauchen. So wie das „Roger“ im Sprechfunk signalisiert, dass man die Botschaft verstanden hat, taucht „Alles gut“ mittlerweile in fast jedem Gespräch auf. Gerade, dass nicht auch noch reflexartig der All-Inclusive-Daumen reflexartig mit nach oben geht. Vielleicht sollten wir auch noch überlegen, „Alles gut“ auf alle Türklingelschilder zu schreiben. Das wäre top.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2014)

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