Heimaturlaub

(c) Michaela Bruckberger
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Es gibt gar nicht so wenig, worauf man sich als Tourist in der Heimatstadt freuen kann.

Das Kleine Sacher. Die Kirschpfefferoni im Kleinen Sacher. Das Seiterl nach den Kirschpfefferoni im Kleinen Sacher. Die Stille im Kaffeehaus. Der Umstand, dass es überhaupt ein Kaffeehaus gibt. Die Feinkostbudel im Supermarkt. Einen Süßen und einen Scharfen und bitte noch eine Gurkenscheibe dazu. Latella, Briochekipferl, Topfengolatsche. Das Bergwasser aus der Leitung. Glas statt Plastikbecher. Stofftischtücher auch im kleinsten Wirtshaus. Die verlässliche Schnellbahn, fast alle 15 Minuten. Die alten Freunde, mit denen man nahtlos dort ansetzt, wo man aufgehört hat. Das Kickerl mit alten Freunden. Der Muskelkater, der nahtlos dort ansetzt, wo man aufgehört hat. Das Römermuseum am Hohen Markt, endlich besucht, verstecktes Juwel. Der Punschkrapfen bei der Aida, der Zwiebelrostbraten beim Ubl. Der Schmäh. Der Schmäh. Der Schmäh. Kein dauerndes Kampfgrinsen. Nicht alles und jedes „awesome“, „amazing“ oder „fantastic“ finden müssen. Das Wiener Derby. Zweig wiederentdecken. Darüber debattieren, ob seine Liebesgeschichten oder seine historischen Romane besser sind. Politische Diskussionen, plötzlich ohne Zynismus. Mehr und mehr Landsleute, die nicht bloß matschkern. Minister auf der Straße sehen, die sich nicht hinter schwarzem Panzerglas und Leibwächtern und Tatü-Tata verstecken müssen. Kein ständiges Gedröhn von Militärhubschraubern über der Stadt. Saubere Straßen. Verkäufer, die sich auskennen. Kellner, die nicht alle zwei Minuten fragen, ob eh alles mundet. Erstaunlich großes Vogelorchester vor dem Fenster. Erstaunlich wenig Hundenougat auf den Gehsteigen. Schanigärten. Die Wachau, nur einen Katzensprung entfernt. Ein Achtel Weiß, im Drei-Viertel-Takt eingeschenkt. Habe ich den Schmäh schon erwähnt?

Es gibt gar nicht so wenig, worauf sich der Tourist in der eigenen Heimatstadt freuen darf.

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2014)

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