Wackelzahn im Osternest

Mutmaßlich groeßtes Osternest der Welt
Mutmaßlich groeßtes Osternest der WeltAPA
  • Drucken

Wenn sich das Kind etwas vom Osterhasen wünschen dürfte, dann einen Wackelzahn. Unter Kindergartenkindern gilt nämlich ein demnächst ausfallender Milchzahn als Statussymbol.

Wenn sich das Kind etwas vom Osterhasen wünschen dürfte, dann einen Wackelzahn. Unter Kindergartenkindern gilt nämlich ein demnächst ausfallender Milchzahn als Statussymbol. Da sind die schrecklich blinkenden Sportschuhe oder nagelneuen Fahrräder vom Angeberpotenzial nichts dagegen: Die Wackelzahn- und Zahnlückenkinder sind die, die von den Jüngeren uneingeschränkt bewundert und beneidet werden. Der Wackelzahn als Statussymbol: Wer ihn hat, ist größer, älter und darf schon viel mehr.

Womit wir bei einem ganz großen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen wären: Während Zweitere gern forever young wirken wollen, können Erstere das Älterwerden gar nicht erwarten. Seit das Kind zwei Jahre alt ist, fiebert es dem Schulantritt entgegen. Woher diese Vorfreude kommt, ist aus Erwachsenensicht nicht wirklich nachvollziehbar: Weder hat es im Umfeld überglückliche Schulkinder, noch wird die Schule in einschlägiger, daheim vorrätiger Kinderliteratur („Conni kommt in die Schule“, „Max kommt in die Schule“, „Der kleine Bär kommt in die ...“, genau) als außergewöhnlich dargestellt: so in etwa wie der Kindergarten, nur mit Schultüte. (Interessanterweise enden die Schulgeschichten für Kleinkinder mit dem ersten Schultag. Das wird schon seinen Grund haben.)

Natürlich kann man dem Kind schlecht sagen, dass es froh sein soll, noch im unbeschwerten Kindergartenalter zu sein, in dem man das Wochenende bei Oma und Opa spontan verlängern kann und nicht so gemein früh aufstehen muss. Gleichzeitig wächst die Liste der Wünsche, deren Erfüllung dem Kind für einen eher undefinierten Zeitpunkt („Wenn du dann groß bist“) versprochen werden. So wie vorgestern, als ich in einem Anflug von bemühter Restjugendlichkeit zum Sportfreunde-Stiller-Konzert aufbrach, zu dem das Kind als großer Fan des „Applaus, Applaus“-Liedes gern mitgekommen wäre. Wobei: Wenn das Kind alt genug ist, um auf ein Popkonzert zu gehen, wird ihm die Anwesenheit der Mutter wahrscheinlich peinlich sein. Von mir aus können die Wackelzähne ruhig noch warten.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.