Kaffee und Kuchen bei den Washingtons

Mount Vernon
Mount Vernon(C) Alex Plank/ Wikipedia
  • Drucken

Mount Vernon, der Landsitz von George Washington, ist nur rund 25 Kilometer von der Stadt entfernt, die man nach ihm benannt hat.

Er lässt sich, wenn man ein bisschen Zeit hat und halbwegs fit ist, mit dem Fahrrad besuchen. Der Mount Vernon Trail ist gut asphaltiert, und so schnell kann der Besucher wohl kaum anderswo eine Rundschau auf Amerikas Gesellschaft halten. Das beginnt schon nach ein paar Kilometern, beim Reagan National Airport. Hier leben, des Fluglärms wegen, nur ärmere Menschen; die Jugendlichen auf dem Fußballplatz, nur ein paar hundert Meter hinter der Startrampe, sind ausschließlich schwarz. Doch ein paar Minuten später radelt man durch eine der reichsten Gemeinden der USA: Old Town Alexandria ist puppenstubensauber herausgeputzt, die alte Torpedo-Fabrik lockt als schickes Galeriezentrum, vor einem hübschen Bürgerhaus poliert ein Herr seinen Oldtimer.

Zuvor sind wir am alten Kohlekraftwerk vorbeigefahren; seit 2012 ist es geschlossen, der Einbau von Filtern wäre zu teuer gewesen. Die Abgase waren giftig, trotzdem hat man Wohnbauten direkt daneben hingestellt. Im Radio hören wir, dass die guten Bürger von Alexandria jährlich bis zu 40 Millionen Liter ungeklärter Fäkalien in den Potomac leiten. „Americans don't care too much for beauty / They'll shit in a river“, sang Lou Reed in „Last Great American Whale“. Letzteres stimmt, Ersteres hingegen sehen wir widerlegt, während wir durch die Villenviertel vor Mount Vernon strampeln: Grashalme, mit der Nagelschere gekürzt. Perfekt lackierte weiße Zäune. Windhunde mit königlichem Gebaren. Washington übrigens lehnte es ab, von seinen Truppen zum König von Amerika ernannt zu werden. Im Besucherzentrum von Mount Vernon gibt es einen Food Court. Mit höfischem Leben hat er nichts zu tun. Was man hier als Kaffee um 3,50 Dollar verkauft, würde in Italien die Lebensmittelpolizei auf den Plan rufen. Hier ist das egal. Der amerikanische Washington-Wallfahrer will nicht essen und trinken. Ihm reicht es, gefüttert zu werden.

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.