Ein OP – und was sonst noch in der Wiener Luft hängt

Der Erde enthoben: OP des Herz-Jeszu-Krankenhauses
Der Erde enthoben: OP des Herz-Jeszu-Krankenhauses(c) Wolfgang Freitag
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Warum die Operateure des Herz-Jesu-Krankenhauses über dem Boden schweben: über das hiesige Spitalswesen und andere Kleinigkeiten.

In Wien hängt ja so einiges in der Luft. Und damit sind keineswegs nur die Gondeln des Riesenrads gemeint. Die terminliche Zukunft der Lobau-Untertunnelung beispielsweise ist ungefähr so gewiss wie das Datum des nächsten Vulkanausbruchs in Breitensee. Und dass, sagen wir, aus der Asperner Seestadt jemals eine Stadt (und aus dem See ein See) wird, kann kaum einer glauben, der sich auf dem Gelände gegenwärtig umtut (abgesehen von den städtischen Marketingtrommlern, und die wohl auch nur während der Dienstzeit).

Anders liegen die Dinge beim Krankenhaus Wien-Nord: An seiner Realisierung bestand schon vor der jüngst erfolgten Gleichenfeier kein Zweifel. Dafür bewegt man sich dort, wie berichtet, was Kosten und Eröffnungszeitpunkt betrifft, noch im eher luftig Ungefähren. Wie das Spitalswesen überhaupt – siehe Spitalsarztarbeitszeiten, Schließung von Spitälern ja/nein – seit Längerem zum In-der-Luft-Hängendsten der Republik zählt.

Freilich, so wortwörtlich in der Luft zu hängen, wie es das Herz-Jesu-Krankenhaus vorführt, das ist selbst in Sachen Gesundheitsversorgung jenseits jeder Ortsüblichkeit. Vor drei Jahren hat man da gleich einen ganzen Operationssaal ausgelagert, und zwar vor die Fassade, im zweiten Stock. Hier wird nun für die Zeit des spitalsinternen Umbaus chirurgiert, hoch über den Landstraßer Dingen, hoch über Passanten, Autos und den Bussen der Linie 77A. Und wenn sich da einer auf dem Operationstisch schon der Erde enthoben wähnt, dann hat das nichts mit Metaphysik zu tun, sondern schlicht mit einer nüchternen Betrachtung seiner Lage.

Ästhetisch mag über das Projekt zu streiten sein, nicht zuletzt die massigen Ständer, die Mediziner samt Medizinierten in der Höhe halten, holen die Impression eines „schwebenden OPs“ sichtbar auf den Boden schwerkraftlicher Zwänge zurück. Macht nichts. 2017, so der Plan, ist es mit dem Provisorium eh vorbei. Was, zugegeben, nicht viel zu bedeuten hat: Es soll hierzulande Provisorien geben, die sind fast so alt wie die Pyramiden von Gizeh.

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2014)

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