Helden in Orange

(c) Michaela Seidler
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Das Kind interessiert sich jetzt also langsam für Berufsfelder, die außerhalb der magischen Kleinkinder-Favoriten – Müllmann, Polizist, Feuerwehrmann – liegen.

Mit etwa eineinhalb Jahren war das Kind so fasziniert von den Müllmännern, dass wir jeden Dienstag und Freitag frühmorgens panisch ans Fenster hechteten, um einen Blick auf den Mülllaster zu werfen. Weil Müllmännern bewusst ist, dass sie die ganz großen Helden der ganz kleinen Menschen sind, winkten sie fast immer zu uns herauf. Für eine Eineinhalbjährige ist das von der Bedeutung in etwa so, als hätte ihrer Mutter, sagen wir, ein George Clooney zugewinkt. Als das Kind begriff, dass die Müllmänner unseren Abfall abholen, hat es eine Zeit lang – es durchlebte eine seiner seltenen „Ich teile meine Sachen gern“-Phasen – Duplo-Löwen und anderes Spielzeug in den Mistkübel geworfen. Als Geschenk, für die Müllmänner. Jeder Mann mit orangefarbener Jacke, dem wir 2011/12 begegnet sind, wurde lautstark mit den Worten „Ein Mullmann! Ein Mullmann!“ (mit Umlauten haben es Kleinkinder nicht so) begrüßt.

Aktuell möchte das Kind „Heiraterin“ werden. Gerade als ich zu einem Monolog darüber ansetzen wollte, dass „Heiraterin“, also Braut, kein Beruf im eigentlichen Sinne ist (wobei...), stellte ich fest, dass für das Kind „Hochzeit“ gleichbedeutend mit „Tanzen“ ist. Wenn Cinderella am Ende ihren Prinzen bekommt, schreit das Kind regelmäßig: „Jetzt heiraten sie nochmal!“

Was ich beruflich mache, hat das Kind lange kaum interessiert. Weil der Beruf „Journalist“ (Definition: „Du liest Zeitung im Büro“) nicht spannend genug war, erzählte es im Kindergarten, dass ich Schuhverkäuferin sei. Das Missverständnis wurde erst aufgeklärt, als sich die Pädagogin mit mir über Winterstiefel unterhalten wollte. Seit ich dem Kind erzählt habe, dass ich über den Songcontest geschrieben habe – die Begeisterung für Conchita Wurst ist ungebrochen – findet es „Journalistin“ ganz okay. Seit ich einen beruflichen Termin bei der Polizei hatte, sogar sehr cool. Nun bedeutet „Journalistin“ für das Kind: „Du liest Zeitung, schreibst über den Songcontest und musst zur Polizei.“ Wir nähern uns der Realität.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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