Werbung und Wirklichkeit

Wohnungssuche - house hunting
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Das Fernsehen inklusive Werbung ist schuld daran, dass meine Erwartungen an die Realität viel zu hoch sind.

Das Fernsehen inklusive Werbung ist schuld daran, dass meine Erwartungen an die Realität viel zu hoch sind. Das weiß ich nicht erst, seit die Fensterputzer in der Redaktion waren. Keine Spur von jungen, braun gebrannten Männern, die oben ohne das Glas schrubbten. Nicht einmal koffeinhaltige Getränke wurden in lasziver Pose konsumiert. Aber eigentlich sollte mich das alles nicht mehr verwundern. Denn meine grundlegende – wie nennt man es so schön – Realitätswatschn habe ich bekommen, als ich mich auf Wohnungssuche begab. Kollegin Anna Gabriel hat diesbezüglich an dieser Stelle bereits am Freitag ihr Leid, vor allem in finanzieller Hinsicht, geklagt. Meine Schwierigkeiten begannen allerdings schon einen Schritt davor.

Als ich euphorisch begann, mir eine neue Bleibe zu suchen, spukten noch Bilder von deutschen TV-Formaten in meinem Kopf herum: nette Makler, die alle Wünsche ihrer penetranten Kunden erfüllen. Und dann klickte ich das erste Mal auf den Online-Immobilienmarkt. Da berichteten Makler vom „gemütlichen Single-Hit“ (Übersetzung: kleine Absteige), vom „Dachgeschoß-Traum für Sportbewusste“ (fünfter Stock, kein Lift) oder gar von einem Mietjuwel (einfach nur teuer). Ist der PR-Sprech mental schon herausgefiltert, folgt die nächste Herausforderung: die Wohnung zu Gesicht zu bekommen. Bei dem einen darf man sich nur melden, wenn man einen Vollzeitjob hat. Wer aber berufsbedingt um 11 Uhr keine Zeit hat, hat Pech gehabt: Der neueste Trend sind Sammeltermine, bei denen man sich wie eine Touristengruppe durch die Immobilie quetscht. Und selbst dafür muss man sich einem knallharten Auswahlverfahren stellen: Einkommensnachweis, Zeugnis von der Hausverwaltung und die aktuellsten Daten werden von einem verlangt. So viel muss man wohl nicht einmal auf Singleportalen preisgeben.

Aber, an alle Leidensgenossen: Es gibt Hoffnung! Sogar ich habe schlussendlich etwas gefunden: eine Wohnung ohne Fernsehanschluss.

E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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