Die Not und die Nägel oder: Gut und Blut fürs Vaterland!

(c) Wolfgang Freitag
  • Drucken

„Gut und Blut fürs Vaterland“: Ja, das war einmal. Für immer vorbei?

Manches, was wir jüngst zu hören (und zu lesen) bekamen, schien von der martialischen Rhetorik vergangener Tage weniger weit entfernt, als uns lieb sein kann. „Gut und Blut fürs Vaterland“: So hieß es in der Kaiserhymne. Nicht von allem Anfang an, erst ab 1854, in der für Franz Joseph geschaffenen Textierung von Johann Gabriel Seidl. Und so steht es geschrieben über einem der merkwürdigsten Denkmäler Wiens, das an dieser Stelle eine kleine Sommerserie zu Wiener Gedenkstätten einleiten soll: dem „Wehrmann in Eisen“.

Aus einer Mauernische der Felderstraße schaut er zum Rathaus hin, ganz Harnisch, gespickt mit – so sagt man – einer halben Million Nägel; und die waren einst seine eigentliche Bestimmung. Einen Nagel in die Lindenholzfigur zu schlagen brachte Spendengelder für den „Militär-Witwen- und Waisenfonds“, der die Witwen Gefallener und ihre Kinder unterstützte. Schließlich: Gerüstet für den Krieg war man nur militärisch, dass da als Folge all der Metzeleien Hinterbliebene zu versorgen wären, dafür war man staatlicherseits in keiner Weise vorbereitet.

Am 6. März 1915 wurde der „Wehrmann“ auf dem Schwarzenbergplatz aufgestellt und von Erzherzog Leopold Salvator als Erstem benagelt. Wer den letzten Weltkrieg-Eins-Nagel platziert hat, ist dagegen nicht überliefert. Was Wunder: Von Kriegsbegeisterung und Opferlust konnte da gewiss schon längst keine Rede mehr sein. Nach Kriegsende verschwand der „Wehrmann“ im Depot, ehe er 1934 vom austrofaschistischen Regime wieder in Dienst gestellt wurde: Diesmal galt es, Geld für ein „Heldendenkmal“, jenes im Burgtor, zu sammeln. Im Oktober desselben Jahres übersiedelte er in die Nische, die ihm schon 1918 vom Gemeinderat zugedacht worden war und in der er noch heute steht. Über ihm ein paar Zeilen des Blut-und-Boden-Lyrikers Ottokar Kernstock sowie – die eine Zeile aus der Kaiserhymne. Und um ihn eine Welt, in der „Gut und Blut fürs Vaterland“ zu geben noch immer nicht so vorgestrig ist, wie es zu wünschen wäre.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.