Pubertät

DIE SIMPSONS
DIE SIMPSONS "Lisa, die Schoenheitskoenigin"ORF
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Warum mich MTV beinahe reich gemacht hätte und Lisa Simpson besser Saxofon spielt als ich.

In der Phase, kurz nachdem MTV aufgehört hat, das zu tun, was man vom Sender eigentlich erwartet (Musikvideos spielen) und noch bevor auf dem Kanal Klingelton-Abos in Dauerschleife angepriesen wurden, lag meine Pubertät. Und wie das die gesellschaftlichen Konventionen von Teenies verlangen, verbrachte ich meine Nachmittage prokrastinierend auf der Couch. Dazu ließ ich mich von den US-Serien des sogenannten Musiksenders berieseln. Zugegeben – sogar „Saturday Night Fever“ war sozialanthropologisch betrachtet wertvoller als das damalige Unterhaltungsprogramm. Aber zwischen den Lateinaufgaben und dem Saxofonunterricht war es ein willkommener Zeitvertreib. Heute weiß ich, dass ich meine Mühen in das Studium der TV-Sendung hätte stecken sollen. Nicht nur, weil ich musikalisch ohnehin nicht das Niveau von Lisa Simpson erreicht habe. Sondern auch, weil bisher in meiner journalistischen Laufbahn außer beim Papstrücktritt kein Lateinwissen mehr gefragt war. Mit meinem Medienkonsum hätte ich hingegen Millionen verdienen können. Aber alles der Reihe nach.

Am liebsten habe ich „Next!“ geschaut. Für alle, die dieses Gustostückerl des guten Geschmacks verpasst haben, sei kurz zusammengefasst: Das Objekt der Begierde traf der Reihe nach auf US-Teenies. Wer nicht hübsch genug war, wurde mit dem Ruf „Next!“ ins Dating-Jenseits befördert. Immerhin: Für jede durchgehaltene Minute gab es einen Dollar. Heute wurde die Show längst in die (virtuelle) Realität umgesetzt: „Tinder“ nennt sich eine Flirt-App fürs Handy, bei der man je nach Foto entscheidet, ob man die vorgeschlagene Person als verabredungswürdig erachtet oder nicht. Fällt man diesem Kandidaten auch positiv auf, kann man miteinander in Kontakt treten. Und die App ist gefragt: Der Wert des Unternehmens wird auf mehrere Millionen geschätzt.

Und ich? Ich bastle noch an einer Möglichkeit, reich zu werden. Vielleicht gründe ich einen Musiksender. Davon gibt es schließlich nicht mehr viele.

E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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