Zwei Millimeter mehr Fanta und die Gabel unterm Tisch

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Niemand kann so feindselig und verächtlich auf eine lärmende Familie blicken wie Paare ohne Kinder. Nein, das stimmt nicht ganz.

Noch feindseliger können Eltern von stillen, meist über einen Gameboy gebeugten Kindern auf Eltern starren, deren Kinder einander anschreien, weil in dem einen Glas mehr Fanta als in dem anderen ist. Ungefähr zwei Millimeter mehr Fanta. Wir befinden uns im Restaurant eines Hotels auf einer Insel im Mittelmeer, und eine Gabel ist gerade laut klirrend unter unserem Tisch gelandet. Nicht zum ersten Mal. Es ist übrigens erstaunlich, dass Gabeln viel mehr Lärm als Messer machen.

Bei dieser Art von Urlaub lernt man weniger Land und Leute als vielmehr die Leute aus anderen Ländern näher kennen. An der Rezeption hängt ein Bild von Putin, der dem Hoteldirektor die Hand schüttelt. Das haben einige russische Gäste offenbar als Einladung verstanden, das Gelände als eigenes Territorium zu verstehen. Ein deutscher Gast verleiht seinem Erstaunen darüber Ausdruck, dass die Busse auf die Minute pünktlich fahren. Und das in Griechenland! Er hat ihn deswegen gerade versäumt. Die griechische Rezeptionistin sieht ihn mit ausdruckslosem Blick an.

Die zahlreich anwesenden Schweizer Urlauber, die freundlich, gut gelaunt und hilfsbereit so etwas wie den Idealtypus des Ko-Touristen darstellen, finden es „grusig“, was sich auf den Tellern rund um den großzügigen Buffetbereich abspielt. Die wenigen Franzosen trinken gekühlten Rotwein und seufzen viel. Die Briten können nicht verstehen, warum sich alle anderen ständig über irgendetwas beklagen, es scheint doch die Sonne.

Nur die lauten Familien haben kaum Gelegenheit, die anderen Gäste zu studieren, weil sie mit sich selbst beschäftigt sind. Dafür bieten sie all jenen willkommene Unterhaltung, die einander schon lange nichts mehr zu sagen haben. Sie könnten sich für die Abwechslung eigentlich einmal bedanken.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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