Der Landraub zu Lainz: Adolf Loos und die wilden Siedler

Friedenstadt-Denkmal
Friedenstadt-Denkmal(C) Freitag
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Von der Hausbesetzerei war ja vergangenen Juli nach längerer Pause auch in Wien wieder die Rede; manch Älteren werden in diesem Zusammenhang noch Stichworte wie Gassergasse und Arena in den Sinn gekommen sein.

An jene Zeiten, da in Wien nicht Häuser, sondern großräumig Grund und Boden besetzt wurden, kann sich kaum einer aus eigener Anschauung erinnern; dafür erinnert daran eine kleine Gedenkstatt in allerruhigster Lage des 13.Bezirks.

Es ist das Elend der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, das aus schlichten Biederleuten Usurpatoren macht. In der Lobau und auf der Schmelz, auf dem Bruckhaufen und immer wieder im Wienerwald, innerhalb wie außerhalb der Grenzen des damaligen Wien nehmen sie ihr Schicksal selbst in die Hand, will sagen, Schaufel, Hammer, Axt und was man halt so braucht, um sich auf fremdem Land heimisch einzurichten und die erwählte Flur urbar zu machen. Eine dieser wilden Siedlungen entsteht im Bereich des Lainzer Tiergartens: Im Herbst 1920 besetzen Obdachlose ein Gelände, das schon vor dem Krieg, 1913, diesfalls allerdings für die Errichtung eines Villenviertels, gerodet worden ist. „Mehrere hundert Kriegsbeschädigte, die der vor einiger Zeit gegründeten Baugenossenschaft der Invaliden angehören, nahmen Sonntag von einem Teil des südlichen Territoriums des Lainzer Tiergartens Besitz, um dort Invalidenhäuser zu erbauen“, berichtet die „Arbeiter-Zeitung“ am 20.September 1920. Und: „Es handelt sich um eine Bodenfläche von 200 Hektar. Auf dieser Fläche sollen 1700 Familien Heime erhalten.“

Kein Jahr später folgt die Grundsteinlegung zur mittlerweile legalisierten Siedlung Friedensstadt. Die wird bei Weitem nicht so groß wie ursprünglich gedacht, und auch der Bebauungsplan, den kein Geringerer als Adolf Loos beisteuert, wird nur in Ansätzen Wirklichkeit. Ein Denkmal ist sie allemal als Ganzes, und nicht nur des Denkmals in ihrer Mitte wegen: ein Denkmal dafür, was wir vermögen, wenn uns nichts anderes übrig bleibt.

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2014)

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