Aus dem Mantel wird man nicht mehr rauswachsen

Es wird im Herbst noch einmal Sommer werden, aber die Bäder sperren nach dem Datum zu.

Die Tomaten sind immer noch grün. Aber wenigstens hängen sie noch an den sehr traurig aussehenden selbst gezogenen Stauden. Sie werden schon rot werden, wenn sie, längst abgefallen, in der Küche vor dem Fenster ausgebreitet werden, um nachzureifen. Aber sie werden nicht nach Sonne schmecken und nicht nach langen, heißen, hellen Tagen. Es kann nicht jeder Sommer der schönste sein, den man je erlebt hat. Aber man darf es sich jedes Jahr im Frühling wünschen.

Es wird im Herbst noch einmal Sommer werden, warm und versöhnlich, und das Licht zeichnet uns dann den Alltag weich. Aber die Freibäder sperren nach dem Datum zu, und nicht nach der Temperatur. Und in den Becken, die dann vielleicht noch geöffnet sind, schwimmen braune Blätter und jene, die bei den Längen lautlos mitzählen.

Wie viele Tage haben wir noch, fragen die Kinder und zählen es an einer Hand herunter. Bis die Schule anfängt, bis es schon am Nachmittag dunkel wird, bis die Winterjacke aus dem Kasten geholt wird. (Dafür braucht es noch viele Finger.) An den Armen, die aus den zu kurzen Ärmeln ragen, wird man merken, wie viel seit den letzten kalten Tagen passiert ist. Aus dem eigenen Mantel wird man nicht mehr rauswachsen. Auch wenn viel passiert.

Was der Sommer gezeigt hat: Manche Dinge verlernt man nicht. Einen ordentlichen Kopfsprung, Auszählreime, ein Lagerfeuer so bauen, dass es auch gut brennt. Bei anderen kommt man aus der Übung. Beim Volleyballspielen brechen fast die Finger ab und beim Stadt-Land-Fluss-Spielen fällt einem kein Berg mehr ein, der mit Q beginnt. Alles eine reine Übungssache.

Für manche Dinge ist es irgendwann zu spät, denkt man sich im Spätsommer. Aber nächstes Jahr ist es vielleicht einen neuen Versuch wert.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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