Die Natur schlägt zurück

Auch als gebürtiges Landei ist man in Wien nicht vor der Naturgewalt gewappnet.

Als ich aus meiner Betonwüste beim Praterstern in eine Kleinwohnung mit Grünfläche zog, kam ich mit etwas in Kontakt, mit dem niemand rechnen konnte: der Natur. Statt Baulärm weckte mich plötzlich ein wild gewordener Specht auf, der in den frühen Morgenstunden beschlossen hatte, meine Hausmauer zu attackieren. Die mühevoll gezüchteten Erdbeeren schnappte sich ein Vogel zum Frühstück, kurz bevor sie in mein Müsli wandern konnten. Den Rest des Gartens habe ich schließlich auch abgeben müssen – der wurde von einer wuchernden Gurkenpflanze annektiert. Selbst die Küche versuchte sich eine Ameisenkolonie anzueignen. Ich bin mir seitdem sicher: Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört.

Da seit Darwins Zeiten klar ist, dass der Angepasstere gewinnt, bemühe ich mich seither um einen Öko-Lifestyle. Vor allem bei der Mülltrennung gehe ich akribisch vor: Altspeiseöle werden gesammelt, Milchkartons in die Recyclingbox geschichtet, bei Briefen das Papier vom Folien-Sichtfenster befreit. Aber selbst die Mülltrennung hat so einige Tücken. Eines Tages stand ich vor einer besonderen Herausforderung – und gleichzeitig einer traurigen Entdeckung. Eine tote Amsel lag vor meiner Tür im Gras. Katzen waren keine in der Nähe, auch sonst gab es keine Anzeichen von Fremdeinwirkung. Meiner laienhaften Analyse zufolge konnte es sich also nur um einen natürlichen Tod gehandelt haben. Was aber die Entscheidung nicht einfacher machte: Wohin damit? Biotonne? Restmüll? Nach einer Krisenintervention mit meiner Vermieterin entschieden wir uns für Letzteres. Kollege T. machte mich leider zu spät darauf aufmerksam, dass es in Wien eine eigene Servicestelle für solche Fälle gibt – inklusive Gratisabholung. Das nächste Mal weiß ich also Bescheid.

Bleibt zu hoffen, dass die Gurke gewissenhafter mit meinen Überresten umgeht.

E-Mails an:iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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