Die Bio-Sonntagsredner und die Simmeringer Wirklichkeit

(c) Wolfgang Freitag
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Warum ein erfolgreicher Bio-Gärtner an der periphersten Peripherie doch nicht um seine Zukunft bangen muss. Zumindest offiziell nicht.

Der Vorstandsvorsitzende von Rewe International ist da. Die Geschäftsführerin von Ja!Natürlich. Und der Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer. Vor uns Appetithäppchen. Gediegene Glaswaren. Wasser, bei Bedarf Kaffee. Es ist neun Uhr vormittags, und wir befinden uns nicht in irgendeiner hippen Innenstadt-Location, nein, wir sitzen im hintersten Kaiserebersdorf. Wären die Fenster offen, würden wir die Flughafenautobahn hören, der nächste Nachbar ist ein Umspannwerk und die einzige Sehenswürdigkeit die Ruine der vormaligen Hammerbrotwerke nebenan in Schwechat.

Was die hochlöbliche Assemblee in die peripherste Simmeringer Peripherie verschlagen hat? Laut Presseeinladung der Gartenbaubetrieb von Stefan und Daniela Auer. Und vielleicht, unausgesprochen, so ganz nebenbei auch die Idee, zu zeigen, wie groß das Ohr ist, das ein Großer für die Kleinen haben kann. Seit 2001 leiten die Auers den familiären Gartenbau, den sie seit 2008 auf Biobasis führen, eine Umstellung, die wiederum, so berichten sie, nur durch die Partnerschaft mit Rewe respektive Ja!Natürlich möglich gewesen sei. Schnell kommt die Sprache auf Biozertifizierung, Bioproduktion und die Bedeutung einer Stadtlandwirtschaft für urbanen Nutzungsmix und kurze Versorgungswege. Und beiläufig erfährt man, was die Auers vor 120 Jahren zu Wiener Gärtnern machte: Eine weitsichtige Stadtregierung gab damals eigenen Boden an Gartenbauwillige in Pacht, auf dass die Versorgung der Kommune mit Gemüse stadtnah gesichert sei.

120 Jahre später ist es eine andere Stadtregierung, die zwar gern die Sonntagsrede von Nachhaltigkeit und Ökologie im Munde führt – aber gleichzeitig die letzten agrarischen Reste aus der Stadt drängt. Wen könnte es also wundern, würde, nur so zum Beispiel, der Pachtvertrag der Auers, Bio hin oder her, nicht mehr verlängert? Nicht doch: Der Bestand des Betriebs sei gesichert, beteuert eine Pressebetreuerin. Und sollte ich an diesem Vormittag etwas von schwierigen Verhandlungen mit der Stadt gehört haben, muss es reine Sinnestäuschung gewesen sein.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2014)

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