Was nicht auf Papier ist, wird irgendwann vergessen sein

(c) Clemens Fabry (Die Presse)
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Früher war in der Post auch immer etwas Gutes dabei.

Früher, im vorigen Jahrhundert, als Menschen noch keine E-Mail-Adressen hatten oder, wenn sie bereits eine hatten, sich mit den anderen um freie Plätze in den Computerräumen der Universitäten schlagen mussten, um sie auch zu benützen, also früher war in der Post auch immer etwas Gutes dabei. Ein Brief, eine Ansichtskarte, ein Packerl von der Oma aus Deutschland (Päckchen passten damals noch in den Briefkasten). Heute klopft das Herz nicht mehr schneller, wenn man die Post holt. Der Briefträger bringt Rechnungen, Mahnungen, Werbesendungen von allen Hotels, die man jemals im Internet gegoogelt hat, und natürlich die gelben Zettel, die auf hinterlegte Poststücke verweisen.

Diese gelben Zettel an sich haben schon etwas Anklagendes (du warst nicht zur richtigen Zeit zu Hause), und wenn dann auch noch RSa daraufsteht, kann man sich auf etwas Kostspieliges, im häufigsten Fall aber auf etwas Unangenehmes gefasst machen. Wer gern per Versand einkauft, dürfte mit gelben Zetteln durchaus auch Freudiges verbinden, aber dazu tendieren eher jene, die schon mit einer E-Mail-Adresse auf die Welt gekommen sind, für die es also gar kein Thema ist, was der Briefträger früher gebracht hat und was nicht. Oder aber jene, die sich mit der Zusendung eines Einkaufs, der sie letztendlich mehr Geld und Nerven kostet als wenn sie auf herkömmlichem Weg eingekauft hätten, darüber hinwegtrösten, dass sonst nichts Persönliches mehr in der Post landet.

Freudige Neuigkeiten, herzliche Worte, Lustiges fanden sich dann eine Zeit lang unter den E-Mails, finden sich eigentlich immer noch dort, nur muss man vorher täglich 213 Nachrichten löschen, um zu jenen zu gelangen, die einen auch betreffen. Persönlich geht es auch bei den SMS zu, aber die sind nichts für die Ewigkeit. Es soll Leute geben, die SMS abschreiben, um sie aufzubewahren. Was nicht auf Papier ist, wird irgendwann vergessen sein. Leider weiß man nicht, was man vergessen hat, wenn man vergessen hat.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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