Kastanien und Katastrophen

Kastanien
Kastanien(c) Ann-Cathrin May
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Wenn es für mich so etwas wie ein Symbol für den Herbst gibt, sind das nicht die herabfallenden Blätter, sondern Kastanien.

Wenn es für mich so etwas wie ein Symbol für den Herbst gibt, sind das nicht die herabfallenden Blätter, sondern Kastanien. Das Kind liebt Kastanien, nicht nur die essbaren, in die ich, seit es auf der Welt ist, mehr Geld investiert habe als die 30 Jahre davor. Glücklicherweise hat unser Stamm-Maronimann (oder wie das Kind früher sagte, der „Lonimann“) seinen Stand heuer weiter stadtauswärts und damit außerhalb der kindlichen Sichtachse aufgestellt, weshalb das ein halbwegs preiswerter Herbst werden könnte.

Vorrangig aber liebt es das Kind, Kastanien zu sammeln, und geht daher derzeit meist mit gesenktem Blick und hoch konzentriert durch die Gassen, ganz egal, ob in der Nähe ein Kastanienbaum steht oder nicht. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht mindestens eine Kastanie aus diversen Jacken-, Hosen- und anderen Taschen fische. Daheim machen wir mit den Kastanien dann das, was wohl die meisten Menschen tun: nämlich nichts. Die Kastanien kommen in einen Karton, der im Laufe des Herbsts immer voller wird. Irgendwann, im Frühling dann, wird er heimlich entsorgt.

Das Basteln mit Kastanien zählt jedenfalls zu den gemeingefährlichsten Aktivitäten, die man mit Kleinkindern so unternehmen kann. Der Versuch, passable Löcher in die Kastanien zu bohren, misslingt mit sämtlichen verfügbaren Werkzeugen und hat noch immer mit einem verletzten Finger oder abgeschürften Handrücken geendet. Online findet man haufenweise Bastelideen, manche nehmen zur Herstellung von Kastanientieren Draht, raten aber zur Verwendung eines Holzbohrers, weil dabei die Verletzungsgefahr geringer ist. Geringer! (Ich persönlich würde ja gern Dinge basteln, bei denen die Verletzungsgefahr gegen null geht, aber bitte). Und selbst wenn die Löcher gelingen, sind sie so stümperhaft, dass das Kind keine Zahnstocher hineinstecken und in der Folge kein einziges halbwegs erkennbares Zahnstochertier herstellen kann. Kind grantig, Mutter verletzt und grantig, Kastanien schnell wieder in der Kiste.

Und erinnern Sie das Kind bloß nicht an das Drachensteigen.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

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