Wien, lustig: Vom Totlachen in bester Friedhofsruhelage

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Warum 70 Wohnungen auf dem Neustifter Friedhof über Wohl und Wehe des Wiener Wohnungsmarkts entscheiden. Oder vielleicht doch nicht.

Wien ist ja eine lustige Stadt. „Allweil lustig, fesch und munter“, heißt es schon im Wienerlied. Der Alltag an der Donau, wer wüsste es nicht, ist denn auch nur so durchpulst von Frohsinn und Heiterkeit, und selbst der Tod gilt hierorts als fideler Kampel. Also dürfen wir uns gar nicht wundern, wenn es sogar auf einem Friedhof gspaßig zugeht.

Vier Jahre ist es her, da gab es in Neustift etwas zu feiern: Nein, nicht in einem der Heurigen des wienerwäldlerischen Weinorts, sondern – eben – auf dem Friedhof. Den hatte die Friedhöfe Wien GmbH gemeinsam mit der Wiener Umweltschutzabteilung in einen „Umweltfriedhof“ verwandelt: Zwischen Grüften und Kreuzen sollte tierisches Leben blühen und im Übrigen den Friedhofsbesuchern „ein echtes Naturerlebnis in der Stadt“ geboten werden. Eines der Vorzeigestücke: ein Biotop auf dem Gelände der Friedhofsgärtnerei für „Springfrosch, Teichmolch und Feuersalamander“. Womit wir schon beim gspaßigen Teil wären.

Dieses Biotop nämlich, vor vier Jahren mit umweltstadträtlichem Segen angelegt, wurde Anfang September mit Baggerkraft planiert: Schließlich soll das Areal der Gärtnerei demnächst verbaut werden. Gewiss, die Umwidmung ist noch nicht durch, die Planunterlagen liegen noch bis 9. Oktober zur Stellungnahme auf, aber was die Lurche betrifft, wurden schon einmal Fakten geschaffen.

Was mitten auf dem Friedhof errichtet werden soll? Eine Aufbahrungshalle? Ein Krematorium? Aber nein, 70 Wohnungen! Und als wäre all das nicht ohnehin schon zum Totlachen, ist es ausgerechnet der Planungssprecher der Wiener Grünen, der Verbauungsplan samt Biotopbeseitigung die Friedhofsmauer macht: Anrainerproteste? Da könnt' ja jeder kommen. Schließlich: „Wenn wir die Wohnungen nicht bauen, steigen die Wohnungspreise noch dramatisch weiter.“ So haben wir uns das immer vorgestellt: 70 Wohnungen in Neustifter Friedhofsruhelage entscheiden über Wohl und Wehe des hiesigen Wohnungsmarkts. Je nun, Wien ist halt eine lustige Stadt.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

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