So nationalparkt man halt nur in Wien: mit Ohropax!

(C) Freitag
  • Drucken

Die Donauauen: der einzige Nationalpark der Welt mit Einflugschneise, Tanklager und - demnächst - Autobahnuntertunnelung.

Wo Wiens Osten nicht mehr östlicher geht, da liegt die Gänshaufentraverse: mitten im Nationalpark Donauauen, nah dem dicht befahrenen Donauradweg, und doch ein wenig abseits und also ziemlich verlassen, als ich an einem Frühherbsttag Rast mache. Welch ein Idyll: unter mir Fisch und Lurch, wie sie munter durch das klare Nass streben, dort dichtes Röhricht, in das sich Ente und Blässhuhn ducken, neben mir zwei fröhliche Fischersleut, die ihre Nachen zur Ausfahrt vorbereiten. Und über mir? Je nun, mit dem Übermir hat es eine eigene Bewandtnis, denn während sonst alles zu naturen scheint, wie nur Natur naturen kann, ist der Himmel über der Unteren Lobau eine Durchzugsstraße der zivilen Luftfahrt: mit Starts und Landungen im Halbminutentakt, gefühlsmäßig zumindest. Der Flughafen Schwechat ist ja gleich nebenan, jenseits der Donau.

So ganz und gar natürlich kommt die Nationalpark-Natur also doch nicht daher, und auch die beiden fröhlichen Fischersleut sind in Wahrheit nicht richtig fröhlich. Ob es der Lärm sei, der sie störe, frage ich. Ihre Antwort überrascht: Nicht der Lärm störe hier, sie selber seien es offenbar, die hier stören. Der Irritation folgt schleunig die Erläuterung: Während das Dröhnen der Düsen längst als unvermeidlich hingenommen werde, würden sie, die Fischer, von der Nationalparkverwaltung immer deftiger mit Auflagen drangsaliert. Was ungefähr genauso originell ist wie ein Wiener Nationalparkgesetz, das den Besuchern paragrafenausdrücklich „das Erregen von den Naturraum beeinträchtigendem Lärm“ verbietet. Hat das irgendjemand auch den Airlines schon gesagt?

Macht nichts: Von einem Nationalpark, der nebstbei ein riesiges Tanklager umschließt, Pipelines und Ölhafen inklusive, darf man schließlich nicht zu viel verlangen. Und wenn er demnächst auch noch von einer Autobahn untertunnelt wird, an seiner breitesten Stelle zumal, dann wird er Nationalpark sein wie sonst keiner auf der Welt. So nationalparkt man halt nur in Wien. Und wer sein Ohropax vergisst, ist selber schuld.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.