Osterei im Arztkoffer

Osterei
Osterei(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Zu den extrem kreativen, aber aus Sicht der schrecklich trägen Erwachsenen eher mühsamen Phasen des Kindes zählt die Rollenspielerei.

Zu den extrem kreativen, aber aus Sicht der schrecklich trägen Erwachsenen eher mühsamen Phasen des Kindes zählt die Rollenspielerei. Das Kind ist derzeit nur selten das Kind, manchmal eine Katze, dann ein Seehund, sehr, sehr oft Prinzessin, hin und wieder die böse Herrscherin, die alles bestimmen darf (der Unterschied zum echten Kind ist hierbei in Ton, Anweisungen und Laune verschwindend gering, als böse Herrscherin unterstreicht sie ihre Forderungen jedoch mit dem Schwingen eines Zauberstabs, das macht das echte Kind nicht).

Neulich, nachdem wir zu Mittag Weihnachtslieder gehört hatten (nein, wir hören die nicht schon jetzt, sondern immer noch), wollte das Kind Ostern spielen. Mir wurde dabei die Rolle des Ostereis zugeschrieben, ich musste mich also so eiförmig zusammengerollt wie nur möglich verstecken, damit das Kind auf Eiersuche gehen kann. Im Grunde haben wir also Verstecken gespielt mit dem Unterschied, dass ich ob der eiförmigen Position Krämpfe in den Beinen und ein verrissenes Kreuz hatte. (Und wenn Sie mir das jetzt nicht glauben, versuchen Sie es einmal selbst.)

Begonnen haben diese Rollenspiele, als das Kind einen Spielarztkoffer bekommen hat. Meist bin ich die Ärztin, mein iPad ist das Röntgengerät und das Kind die Mutter, die mit Stofftieren in die Ordination kommt. Interessanterweise weiß das Kind schon vor der Untersuchung, woran die Patienten zu leiden haben. Der Stoffbär hat „leider eine Hustenallergie“, beim Hund „ist das Herz schwach, er braucht einen Verband“. Am angenehmsten ist das Friseur-Spielen, weil man da nebenbei wie beim echten Friseur Zeitungen lesen kann, während das Kind einem 100 Spangen ins Haar klemmt. „Möchten Sie nicht auch Friseurin werden?“, fragt mich da die Kind-Friseurin. Ob das nicht anstrengend sei, frage ich. Nein, sagt das Kind. „Wir zahlen Geld. Zu Weihnachten und Ostern bekommen sie frei. Und am Sonntag auch. Da müssen Sie dann auch nicht in den Kindergarten gehen.“ Unter diesen Konditionen hätten Sie doch bestimmt auch zugesagt. Die Option auf Anstellung als Osterei habe ich mir aus dem Vertrag streichen lassen.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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