Servus, grüß dich, hallo: Ich habe aufgegeben

Während ich Laufrunde um Laufrunde drehe, habe ich reichlich Zeit zum Nachdenken.

Ich könnte sie nützen, um endlich zu entscheiden, wo ich meinen in großen Schritten nahenden Urlaub (juhu!) verbringe. Ich sollte auch darüber grübeln, in welche Werkstatt ich Flocki – so nenne ich mein laut brummendes Auto – bringe. Tue ich aber nicht. Mich beschäftigten andere – noch viel banalere – Fragen: Soll ich den nächsten Läufer, der da bereits auf mich zukommt, grüßen? Oder lieber nicht?

Auf der Hauptallee im Prater – so etwas wie der Südosttangente für Läufer – stelle ich mir die Frage freilich nicht. Das „Servus, Grüß dich, Hallo“ würde dort kein Ende nehmen. Dafür habe ich nicht genug Puste. Aber auf den ruhigen Waldstücken, wo mehr Eichhörnchen als Menschen zu sehen sind: Dort philosophiere ich über Sinn und Unsinn des Grüßens. Ich habe mich am Ende noch jedes Mal für ein „Hallo“ entschieden. Ich betrachte andere Läufer ja – je nach Stimmung und körperlicher Verfassung – als Seelenverwandte oder Leidensgenossen. Umgekehrt dürfte das nicht so sein. Denn zurück kam in 99,9 Prozent der Fälle nichts. Gar nichts. Mich ärgert das. Denn ich habe schon als Kind gelernt zu grüßen. Die anderen etwa nicht? Vielleicht ist mein Drang, andere willkommen zu heißen aber auch – vorsichtig formuliert – etwas ausgeprägter als bei anderen. Ich erinnere mich gut: Auf dem Weg in die Volksschule (zu Fuß über Wiesen und Felder) grüßte ich ausnahmslos jeden. Es dauerte seine Zeit, bis mir bewusst wurde, dass das im voll besetzten Bus in Richtung Stadt nicht angebracht ist. Irgendwann sahen mein Bruder und ich auch ein, dass auf der Autobahn nur die wenigsten Lkw-Fahrer auf die begeistert winkenden Kinder auf der Rückbank vorbeifahrender Autos reagieren. Wir beendeten den Zirkus. Aber sind auch Laufstrecken grußfreie Zonen? Hinweise erbeten.

Und noch eine Bitte: Ich drehe meine Laufrunden derzeit in Ottakring – falls Sie mir dort über den Weg laufen, dann grüßen Sie mich doch zuerst. Ich habe mittlerweile aufgegeben. Auf Wiedersehen!

E-Mails an:julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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