Dann reißt ein Henkel oder ein Muskel – oder beides

Ein roter Apfel
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Wer eine Apfelspalte vom Kerngehäuse befreien will, muss mit dem Messer von beiden Seiten hineinschneiden.

Wer eine Apfelspalte vom Kerngehäuse befreien will, muss mit dem Messer von beiden Seiten hineinschneiden. Wenn man es ohne abzusetzen in einer Bewegung versucht, bricht der Apfel. Zumindest die meisten Äpfel. Es soll ganz bestimmte Sorten geben, die dem Druck standhalten können. (Bitte welche?)

Auch wenn man in seinem Leben schon tausende Äpfel aufgeschnitten hat und sich dieser Bruchproblematik voll bewusst ist, versucht man es immer wieder, weil man damit mindestens eine Zehntelsekunde sparen will. Und auch, weil sich das zweimalige Ansetzen des Messers wie eine Niederlage gegen die Macht der Physik anfühlt. Acht Spalten, in die ein Apfel idealerweise geteilt wird, bedeuten immerhin einen 16-stufigen Schneidevorgang.

Sie müssen jetzt nicht erwähnen, dass es ein Kerngehäuseentferngerät gibt, so, wie es auch einen Ananasaushöhler gibt und einen Zwiebelhacker und ein Knoblauchding, mithilfe dessen die Finger nie in Berührung mit der Zehe kommen. Das gilt alles nicht. Diese Krücken wurden erfunden, weil der Mensch mit dem Messer allein einen täglichen Vorgang nicht optimieren konnte. Sie zu benützen kommt daher einer weiteren Niederlage gleich. Abgesehen davon, dass man die Zeit, die man spart, beim Abwasch dieser Geräte wieder verliert.

Es gibt viele tägliche Handlungen, bei denen man genau weiß, dass sie bestimmten äußeren Zwängen unterworfen sind. Während man etwa Waren in ein Supermarktwagerl häuft, sieht man eigentlich schon, dass alles nicht in ein Sackerl passen wird, wahrscheinlich auch nicht in zwei, und man weiß, dass man es mit den eigenen zwei Armen nicht wird nach Hause schleppen können. Trotzdem versucht man es. Weil zweimal gehen ist wie eine Apfelspalte von zwei Seiten anzuschneiden. Man schafft es bis zur Haustür. Dann reißt ein Henkel oder ein Muskel oder beides, und es ist schön zu sehen, dass man mit sich selbst die unterhaltsamsten „Sag feig“-Spiele spielen kann.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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