Die Papierschlange am Ende der Kassa

Frau und Kassabon
Frau und KassabonErwin Wodicka - BilderBox.com
  • Drucken

Es sind nicht unbedingt die Früchte der Erkenntnis, zu der uns die Schlange an der Supermarktkassa verführt. Maximal zu Schokoriegeln, die allerdings nicht zur Vertreibung aus dem Paradies führen.

Es sind nicht unbedingt die Früchte der Erkenntnis, zu der uns die Schlange an der Supermarktkassa verführt. Maximal zu Schokoriegeln, die allerdings nicht zur Vertreibung aus dem Paradies führen. Wobei man in dieser Situation vom Garten Eden ziemlich weit entfernt ist – sondern einfach nur Teil des metaphorischen Reptils, das sich neben dem Förderband langsam zum Bezahlvorgang windet. Der dauert, seit die Bankomatkarte nur noch an das Lesegerät gehalten werden muss, ja mittlerweile recht kurz. Doch was danach kommt, ist dafür umso länger: die Papierschlange, die sich aus der Registrierkassa (sagt man das heute noch?) schlängelt. Die entwickelt dabei nämlich zunehmend die Ausmaße einer Python. Und das nicht nur dann, wenn ein Großeinkauf für die gesamte Familie ansteht, sondern auch bei der kleinen Besorgung mit nur einem Artikel. Der simple Kauf eines Desinfektionssprays in einem Drogeriemarkt wirft dann eine 21 Zentimeter lange Papierschlange aus, auf der ein ganzes Kapitel von Tolstois „Krieg und Frieden“ untergebracht werden könnte. Nur, dass statt Fürst Kutusow in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz weit profanere Texte darauf zu finden sind.

Der Name des Ladens. Das Produkt und sein Preis. Die dank Bonuskarte abgezogene Summe. Die Information über die Zahlung mit Karte. „Betrag dankend erhalten.“ Die Adresse der Filiale. Name und Körpergröße der Kassiererin. Die Kundennummer. Die Auflistung sämtlicher Bonuspunkte in mehreren Stufen. Das Verfallsdatum der Bonuspunkte. Die Information, wie viel Prozent Ermäßigung es mit wie vielen Bonuspunkten gibt. Ein lustiges Logo einer Aktion. Dann meist noch ein weiterer Zettel mit einem Gutscheincode für ein Produkt, das man nicht braucht – dafür bekommt man es um 25 Prozent günstiger. Und am Ende „Alle Rechte vorbehalten, einschließlich der Verfilmung und Übersetzung.“

Von welchen Früchten die Verantwortlichen dieser Zettelwirtschaft wohl genascht haben – gab es im Garten Eden eigentlich psilocybinhaltige Pilze?

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.