Tramwayblues in Washington

People watch the sunset from the base of the Washington Monument in Washington
People watch the sunset from the base of the Washington Monument in Washington(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Schnallen Sie sich an: Washington bewirbt sich um die Olympischen Sommerspiele 2024!

Dieser Tage hat ein Organisationskomitee einen Plan dafür vorgelegt, wie Amerikas Hauptstadt die Mitbewerber Boston, Los Angeles und San Francisco auszustechen gedenkt, wenn das Nationale Olympische Komitee der USA im Jänner seinen Kandidaten auszuwählen gedenkt.

Für Washingtons Bewohner mutet dieses Ansinnen ähnlich grotesk an wie jenes von Katar zwei Jahre zuvor, eine Fußballweltmeisterschaft abzuhalten. Denn, so fragt sich auch Ihr „Presse“-Korrespondent: Wie wollen die Verkehrsbetriebe Millionen von Sportfans durch diese Stadt befördern, wenn sie schon der tägliche Arbeitsverkehr überfordert? Das durchschnittliche Intervall auf den U-Bahnlinien beträgt zur Stoßzeit sechs Minuten, sonst zwölf und an Sonntagen 15 Minuten. Für die Buslinien gibt es kein belastbares Zahlenmaterial, ich möchte hier jedoch nur zu bedenken geben, dass der Bus vom Flughafen Dulles in die Stadt sonntags nur stündlich verkehrt. Zug oder U-Bahn gibt es nicht.

Diese ohnehin recht armselige Dienstleistung könnte künftig weiter verkümmern, denn den Verkehrsbetrieben gebricht es am Geld, um die teilweise marode Infrastruktur aus den 1970er-Jahren à jour zu halten. Darum sollen die umliegenden Städte Alexandria, Fairfax City und Falls Church sowie die Bezirke Montgomery, Prince George's, Fairfax und Arlington heuer 892 Millionen statt zuletzt 809 Millionen Dollar zuschießen. Sie können sich die Reaktion vorstellen: Zeter, Mordio, Geldverschwendung. Es ist schon erstaunlich: Dieselben Leute, die täglich in ihren Autos im Stau rund um Washington schmoren, lehnen Investitionen in bessere Verkehrsinfrastruktur ab. Das ist übrigens auch der Grund, wieso der vor Jahren mit Pomp und Trara angekündigte Plan, fünf Jahrzehnte nach Einstellung der letzten Washingtoner Straßenbahn ein 60 Kilometer langes Tramwaynetz mit fünf Linien zu bauen, zusammengestrichen wurde: auf 3,9 Kilometer und eine Linie.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2014)

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