Die Sternschnuppe wäre auch ein guter Josef

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Nur die Kleinen wollen so sein wie alle anderen.

Menschen geben nicht nur ihren Kindern und ihren Tieren zuweilen seltsame Namen, sie lassen auch beim Benennen ihrer WLAN-Netze keine noch so abwegige Idee aus. Das geht einen eigentlich nichts an, würde nicht das Handy, das zunehmend mehr von mir weiß als ich von ihm, ungefragt alle Funknetze auflisten, die sich um einen herum spannen. Gehen Sie doch einmal durch die Neubaugasse und lassen Sie sich von diesem Gedankennetz einfangen. Sie schreiben danach entweder einen sehr lustigen Roman über das Leben in der Großstadt oder werden den Gedanken nicht mehr los, dass da ziemlich durchgeknallte Geister wohnen. Vielleicht aber auch beides.

Wer etwas auffällig benennt, will damit immer auch seine Originalität oder Verwegenheit thematisieren. Das ist insofern witzig, als bei so vielen originellen Ideen die meisten einander gleichen. „Deep throat“ ist etwa ein heißer WLAN-Favorit, wer hätte das gedacht?

Super originelle Kindernamen gleichen sich ebenso an beiden Enden des Spektrums: So halten sich indianische und biblische Namen ungefähr die Waage mit den betont bodenständigen alten deutschen Namen. Kinder, denen Menschen mit selbst unspektakulären Namen spektakuläre Namen gegeben haben, damit sie nicht so heißen „wie alle“, wünschen sich oft genau das. Das Anderssein wird meist erst später, wenn überhaupt, interessant. Im Volksschulalter wollen viele auch so aussehen wie alle anderen, die gleichen Jacken tragen, den gleichen Haarschnitt, bloß nicht hervorstechen.

Es gibt nur wenige, die gern die Hauptrolle spielen, und viele, die auch als Sternschnuppen im Hintergrund (kein Text, sie müssen nur leuchten) Freude an der Weihnachtsaufführung haben. Fürs Theater muss es immer beide Gruppen geben. Nur leider übersieht man dann manchmal, dass die stumme Sternschnuppe vielleicht auch ein guter Josef gewesen wäre.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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