Warten auf Frau Holle

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Früher habe ich mich immer gefragt, wer denn diese seltsamen Menschen sind, die sich nicht einen, sondern gleich zwei Christbäume in die Wohnung stellen.

Früher habe ich mich immer gefragt, wer denn diese seltsamen Menschen sind, die sich nicht einen, sondern gleich zwei Christbäume in die Wohnung stellen. Kopfschüttelnd lese ich seit Jahren (auch heuer wieder) vom angeblichen „Trend zum Zweitbaum“. Mittlerweile weiß ich: Das sind wahrscheinlich Menschen wie du und ich. Mit Kindern, die wie aus dem Nichts auf die abstruse Idee kommen, sich einen eigenen Christbaum für ihr Kinderzimmer zu wünschen. Nur einen gaaanz kleinen!, bettelt das Kind seit Tagen, und genau das ist das Problem: Die ganz kleinen sind so unverhältnismäßig ganz teuer: Das ist so wie bei den handgepäckstauglichen Duschgels: Die kosten in Relation zu den großen Packungen unverschämt viel, obwohl sie nur einen Bruchteil der Duschgelmenge fassen. Sollte ich also jemals einen gestressten Vater mit glücklich grinsendem Kind und zwei Bäumen vom Christbaumstand wegmarschieren sehen: Ich werde vollstes Verständnis haben. Man ist milde gestimmt (es ist Weihnachten!) und gleichzeitig so schrecklich angespannt (es ist Weihnachten!), man will den Weihnachtsfrieden retten, das Gejammere nicht mehr hören und belebt den Weihnachtshandel mit weiteren 30 Euro für so eine Zwergfichte.

Dass der Heilige Abend mit Riesenschritten naht, merkt man auch daran, dass das vierjährige Kind mit seiner sechsjährigen Freundin über das Wetter redet. Über das Wetter! Vielleicht, sagt die eine, schneit es bis Weihnachten. Meine Mama sagt, erwidert die andere, dass es heuer gar nicht schneien wird. Fassungslose Blicke. Das Problem mit weißen Weihnachten ist ja, dass es vorrangig in Weihnachtsbüchern und -filmen existiert. Dort aber durch die Bank, weswegen das Kind davon überzeugt ist, dass Weihnachten gefälligst weiß und schneereich zu sein hat, auch wenn es selbst noch keinen einzigen verschneiten Heiligen Abend miterlebt hat. In Endlosschleife führen wir derzeit also folgenden Dialog: Kind: „Wenn es morgen nicht schneit, feiere ich nicht mit.“ Ich: „Super, dann bekomme ich mehr Geschenke.“ Pause. Kind: „Doch nicht.“

Wo ist eigentlich Frau Holle, wenn man sie braucht?

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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