Bitte sich nicht anzuscheißen

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Als sensibler und einfühlsamer Mensch weiß man natürlich, was sich gehört, sollte man sich gegenüber einem anderen ungebührlich verhalten haben.

Im Normalfall kommt es beim Gegenüber gut an, sich zerknirscht zu zeigen und ein paar Worte der Entschuldigung zu stammeln. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, was eher weniger gut ankommt: „Scheiß dich nicht an“ taugt nur bedingt dazu, einen einmal aufgerissenen Graben zwischen zwei Menschen wieder zu füllen.

Sind diese Worte einmal ausgesprochen, ist das Eis schon recht dünn. Denn selbst wenn die späte Erkenntnis kommt, dass man sich im Ton vergriffen hat, bleibt der schale Nachgeschmack von Arroganz und Respektlosigkeit. Was tun in einer solchen Situation? Noch einmal das Gespräch suchen und diesmal zerknirscht und mit treuem Hundeblick eine Entschuldigung stammeln? Dagegen spricht allerdings Goethe: „Die Zeit entschuldigt, wie sie tröstet, Worte sind in beiden Fällen von wenig Kraft“ – das klingt nach Aussitzen und Warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Das ist zwar sehr bequem, beflügelt aber den täglichen Umgang miteinander kaum. Dann vielleicht lieber tätige Reue in Form von Blumen, Krokant-Schokolade oder einem Stofftier zeigen? Klingt gut, hilft aber auch nur bedingt, weil der Stoffteddy wieder kombinationspflichtig mit entschuldigenden Worten ist, die ja laut Goethe von wenig Kraft sind.

„Lass mein Schweigen dir sagen, was keine Worte sagen können“ – wieder mal Goethe. Klingt spannend, lieber Johann Wolfgang von, das versuche ich. „Du sagst ja gar nichts“, wird dann das Gegenüber sagen. „Stimmt, das hab ich vom Goethe gelernt“, werde ich erwidern. „Also scheiß dich nicht an!“


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2009)

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