Ein kleines Stück Paris am Central Park

(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
  • Drucken

Das französische Außenministerium in New York unterhält eine Einrichtung, die es nicht mehr geben sollte, wenn man den Propheten des stramm vorwärtsblickenden Technologismus Glauben schenken darf.

Seit einigen Monaten unterhält das französische Außenministerium in New York an der Adresse 972 Fifth Avenue, einen Block südlich vom Metropolitan Museum of Art mit Blick auf den Central Park, eine Einrichtung, die es nicht mehr geben sollte, wenn man den Propheten des stramm vorwärtsblickenden Technologismus Glauben schenken darf. In jenem Neorenaissancepalais eines einstigen Ölbarons, in dem seit 1952 das französische Kulturinstitut logiert, hat man ein bildschönes Buchgeschäft namens Albertine eingerichtet. Benannt nach jener jungen Dame, in die sich der Erzähler von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ verliebt, kann man hier nun auf zwei Stockwerken in rund 14.000 Büchern blättern.

Das Sortiment ist breit gefächert, man findet viele französische Klassiker und zeitgenössische Autoren auf Französisch und Englisch ebenso wie internationale Literatur auf Französisch. Ein gedankenvoll gestaltetes Programm lädt ebenso zu Malkursen für Kinder mit einer Bilderbuchillustratorin ein wie zu einer monatlichen Lesegruppe unter Anleitung von Antonin Baudry, dem Kulturattaché und, was ich nicht wusste, Autor des brüllend komischen gezeichneten Romans „Quai d'Orsay“, in dem er seine Nöte als junger Redenschreiber im Außenministerium unter Dominique de Villepin verarbeitet hat. Besuchen französische Künstler New York, schauen sie bei Albertine vorbei; neulich war Isabelle Huppert da, in zwei Wochen kommt die Theaterautorin Yasmina Reza, deren Stücke am Burgtheater begeistert haben und von Roman Polanski verfilmt wurden (mit Christoph Waltz, übrigens auch in New York City).

Kein Multimediakrimskrams, der nur zerstreut, kein Shop, in dem man Geld für Nebbichkeiten auszugeben genötigt wird; bloß ein geschmackvoll eingerichtetes, gut sortiertes Buchgeschäft. Man möchte hoffen, dass Albertine den Angriff der Rotstifte überleben wird, der über das nächste französische Staatsbudget hereinzubrechen sich anschickt.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.