Auch wer einsam schwimmt, schwimmt nie allein

STADTHALLENBAD
STADTHALLENBAD(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Schwimmen ist ja an sich der ideale Sport. Man schwitzt nicht und kann seinen Körper mit Würde tragen.

Schwimmen ist ja an sich der ideale Sport. Man schwitzt nicht und kann seinen Körper mit Würde tragen. Im Wasser zumindest, der Weg vom und zum Becken bleibt einem spärlich bekleidet nicht erspart. Das sogenannte Sportschwimmen – man schwimmt auf abgeteilten Bahnen hin und her – ist aber nur theoretisch ein einzelgängerischer Akt. Tatsächlich entwickelt sich in einem Becken voller scheinbar einsam schwimmender Menschen eine gewaltige Gruppendynamik.

Leere Bahnen sind selten, also muss man den Platz im Wasser teilen. Idealerweise macht sich der Neuankömmling ein Bild von Tempo und Belegung der Strecken, schätzt sich selbst halbwegs richtig ein, um sich dann in gebührendem Abstand in der für ihn passenden Spur einzufädeln. Er springt nicht einfach schwungvoll in eine bis zu seiner Ankunft harmonische Bahn, um sich dann kamikazeartig an bereits Schwimmenden vorbeizuschlängeln oder ihnen knapp nachfolgend die Zehen abzuklatschen. Es ist für beide Betroffenen unangenehm: Der eine fühlt sich verfolgt, der andere in seinem Schwung gebremst.

Bei der Entscheidung für die richtige Bahn sollte das Hauptaugenmerk auf der Geschwindigkeit der anderen liegen und nicht nur auf deren Attraktivität. Ein freundliches Zunicken beim unvermittelten Aufeinandertreffen ist in Ordnung, aber für ein Kennenlernen ist der Beckenrand nicht der richtige Ort. Auch bei Schwimmzügen unter Wasser sollte beim Studium der Unteransicht Fremder der Kopf nicht zu auffällig verdreht werden.

Interaktion findet natürlich nicht nur zwischen den Geschlechtern statt. Auch der sportliche Ehrgeiz kommt nicht zu kurz. So schwimmen manche auf nebeneinanderliegenden Bahnen um die Wette, ohne dass dies allen Teilnehmern überhaupt bewusst ist. Wer sich dabei übernimmt, macht dann keuchend Pause und bringt wieder den Rhythmus der Bahn durcheinander.

Schwimmen ist der ideale Sport, um zur Ruhe zu kommen. Wenn bloß nicht so viel los wäre rundherum.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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