Türkische Tintenfische

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Das Kind gibt derzeit gern mit seinen Fremdsprachenkenntnissen an, auch wenn diese streng genommen nur rudimentär in einer Sprache, Englisch nämlich, vorhanden sind.

Das Kind gibt derzeit gern mit seinen Fremdsprachenkenntnissen an, auch wenn diese streng genommen nur rudimentär in einer Sprache, Englisch nämlich, vorhanden sind. Und hier vor allem in Liedform und auch nicht immer textsicher. („We wish you a merry Christmas and a happy to you“) Neulich behauptet das Kind, es spreche Spanisch. Kannst du Spanisch?, fragt es. Ich: ein bisschen. Das Kind, ahnend, dass es daher mit seinem erfundenen Spanischwortschatz schnell auffliegen wird, korrigiert sich. „Ich meinte Französisch. Verstehst du das?“ Ja, sage ich. Pause. „Welche Sprache kannst du nicht?“ Türkisch zum Beispiel. Erleichtertes Grinsen. „Ich spreche nämlich Türkisch. Weißt du, was Tintenfisch auf Türkisch heißt? Schlabufatzki.“ Jetzt spreche ich wirklich kein Türkisch, bin mir aber ziemlich sicher, dass sich unter Schlabufatzki im türkischen Wörterbuch kein Eintrag finden wird. Trotzdem hat sich Schlabufatzki, der Tintenfisch, in unseren Wortschatz gedrängt: Sehen wir Bilder von Meerestieren, suchen wir nun nicht mehr Kraken, sondern Schlabufatzkis.

Besonders fasziniert ist das Kind vom Schweizerdeutschen, das in den Tinkerbell-Filmen von einer männlichen dicken Fee (oder Elfe? Ach, keine Ahnung!) gesprochen wird. Jeder, der keine ganz korrekte deutsche Aussprache hat, steht beim Kind unter Schweizer-Verdacht. Und auch jeder, der Wörter benutzt, die das Kind (zum Glück!) noch nicht kennt. Auf dem Spielplatz warfen sich neulich zwei Jugendliche gegenseitig wüste Schimpfwörter an den Kopf, die ich an dieser Stelle lieber nicht wiederhole, sprich allerunterste Schublade. Das Kind hörte kurz zu und verkündete: „Die reden komisch. Das sind bestimmt Schweizerdeutsche.“

Neben fremden Sprachen interessiert sich das Kind auch seit einiger Zeit für andere Länder. Seine erste Freundin im Kindergarten kommt „aus Tralien“ (sind wir uns ehrlich: „aus Australien“ klingt eh ziemlich blöd) Aus Indien wiederum kommt R., der mir neulich erzählt hat, dass er bald in die Schule kommt, „aber nicht in Österreich“. Wo dann, frage ich. „Im dritten Bezirk.“ Ach so!

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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