Strč prst skrz krk im Chuchichäschtli

Der Oachkatzlschwoaf in der freien Natur
Der Oachkatzlschwoaf in der freien NaturImago
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"Steck den Finger durch den Hals", der tschechische Oachkatzlschwoaf. Auch andere Sprachgruppen haben ihre Scherze.

Aus dem Urlaub im nicht deutschsprachigen Ausland ist dieser Austromissionierungseifer ja bekannt. Dass ein verlegen lächelnder Kellner oder Reiseleiter unter großem Gejohle dazu gebracht wird, ein urösterreichisches Wort wie „Oachkatzlschwoaf“ auszusprechen. Ein Beitrag zur Völkerverständigung, könnte man meinen. Wenn es sich dabei wenigstens um ein Wort handelte, das tatsächlich einen sprachlichen Nutzen mit sich bringt. Allein, zu viel mehr als zum seichten Gaudium auf Kosten anderer taugt es dann doch nicht. Ein typisch österreichisches Verhalten ist dies allerdings nicht, denn auch andere Nationen und Sprachgruppen haben ihre Scherze. „Strč prst skrz krk“ („Steck den Finger durch den Hals“) ist etwa die tschechische Variante einer weitgehend sinnlosen Äußerung, die vor allem dazu dient, Anderssprachige in Schwierigkeiten zu stürzen – schließlich kommt sie komplett ohne Vokale aus.

Man möchte es kaum glauben, aber dieses Phänomen hat einen Namen. Von einem Schibboleth wird in der Linguistik gesprochen, wenn sich ein Sprecher durch ein spezifisches sprachliches Merkmal eindeutig einer regionalen oder sozialen Gruppe zuordnen lässt. Der aus dem Hebräischen entlehnte Begriff (Getreideähre) diente den Gileaditern im Alten Testament dazu, die feindlichen Epraimiter zu erkennen – die den Wortanfang nicht „sch“, sondern „s“ aussprachen. Und die derart identifiziert kurzerhand getötet wurden.

So dramatisch ist es heute nicht mehr, da amüsiert sich höchstens der Schweizer, wenn jemand am „Chuchichäschtli“ (Küchenschrank) scheitert, erkennt der Oberösterreicher am „Ödögidöggi“ (Öltiegeldeckel) den Ortsfremden und erfreut sich der Lustenauer, wenn jemand am Triphthong des „Äuöli“ (Ei) verzweifelt. Überlegenheitsgefühle gegenüber dem Kellner im italienischen Restaurant, der „D' Koinarin håd's Bschteck z'schpâd bschtoid“ nicht reibungslos aussprechen kann, sind aber keinesfalls angebracht. Schon gar nicht, übrigens, wenn man vorher die „Gnotschi“ bestellt hat.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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