Heitere Tage mit bleichen Menschen

A man walks through columns outside the British Museum in London
A man walks through columns outside the British Museum in London(c) Reuters (NEIL HALL)
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Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn sich vor dem Eingang einer Ausstellung Chinesen gegenseitig auf die Zehen steigen, um ein Exponat zu fotografieren.

Dergleichen konnte ich vor einigen Wochen im British Museum in London beobachten, wo die (mittlerweile zu Ende gegangene) Schau „Germany: Memories of a Nation“ regelrecht gestürmt wurde. Neil MacGregor, Kurator und Museumsdirektor in Personalunion, hatte anhand von mehreren hundert Objekten die wechselvolle Geschichte Deutschlands nachzustellen versucht – und das bei den chinesischen Besuchern beliebte Objekt war ein VW Käfer der ersten Baureihe. Wohl kein Wunder angesichts der Tatsache, dass der bekannte Werbespruch „Vorsprung durch Technik“ auch als inoffizielles Motto des chinesischen Wirtschaftswunders dienen könnte.

Die Ausstellungsräume waren gesteckt voll mit Kunst, Kuriositäten und historischen Artefakten – angefangen bei Dürer und der Lutherbibel über diverses Geschirr, Möbel und Kunsthandwerk bis hin zum Eingangstor des KZ Buchenwald und dem besagten Automobil. Angesichts der vielen Besucher, die mit einer Mischung aus Unverständnis und Bewunderung dieses Potpourri bestaunten (großer Beliebtheit erfreute sich eine mechanische Uhr mit eingebautem Puppenspiel), kam mir der deutsche Hobby-Ethnograf Richard Katz in den Sinn, der Ende der 1920er-Jahre ein Südsee-Reisebuch mit dem Titel „Heitere Tage mit braunen Menschen“ verfasst hatte. Im British Museum waren die Deutschen selbst der exotische Stamm, dessen Artefakte andächtig studiert wurden. Heitere Tage mit bleichen Menschen sozusagen. Das Buch zur Ausstellung halte ich allerdings für sehr gelungen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache. Jene Leser, die mich um die Telefonnummer des letztlich erwähnten Masseurs gebeten haben, muss ich leider enttäuschen. Für den Inhalt dieser Zeilen gilt das Gleiche wie für den Besuch im Mekka des Glücksspiels: „What happens in Las Vegas, stays in Las Vegas.“

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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