Wie viele Wochenstunden Wiens Zukunft wert ist

(c) Freitag
  • Drucken

Es steht ein Container am Donaufeld. Gelb und weiß gestreift steht er da.

„Wien! voraus“ kündet er an allen Seiten, und wenn niemandem anderen, so hat Wien kraft solch kreativer Interpunktion wenigstens dem Duden einiges voraus. Auch schon was, hier, Ecke Dückegasse/An der Schanze, einer der – sagen wir – eher sehr wenig städtischen Stellen der Stadt. Zumindest derzeit noch sehr wenig städtisch, schließlich soll sich bald, wo jetzt noch Winterbrachen und verstreute Glashäuser agrarisches Flair verbreiten, ein ganzes Quartier mit 6000 Wohnungen erheben, selbstredend „umwelt- und klimaverträglich“ und mit „vielen natürlichen Freiräumen“, wie es stolz an den Containerwänden tönt.

Dort ist auch über „Dialog als Prinzip“ zu lesen: „Das Donaufeld gemeinsam mit der Bevölkerung zu entwickeln stärkt nicht nur die Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem Grätzel, es hebt generell die Qualität des Planungs- und Umsetzungsprozesses.“ Bravo, weiter so: „Ein erstes Ergebnis des Beteiligungsprozesses ist dieses Begegnungsfeld, auf dem Sie sich gerade befinden.“ Dieses nämlich biete „Raum für Kommunikation und Information“. Zugegeben, Felder (und seien es auch solche der Begegnung) hätten sich manche vielleicht irgendwie blühender vorgestellt als das, was sich hier offeriert: ein paar zubetonierte Quadratmeter Acker mit Stahlcontainer und Mobilklosett. Andererseits, blühmäßig ist um diese Jahreszeit ohnehin nicht viel los. Und überhaupt: Hauptsache, man kommuniziert und informiert.

Das tut man auch. Und wie! Einmal pro Woche – und zwar ganze zwei Stunden lang! Jeden Mittwoch zwischen 17 und 19 Uhr wird beteiligungsprozessiert, dass die Containerwände krachen. Und die übrigen 166 Wochenstunden? Ach, da können Kommunikation und Information bleiben, wo der Beteiligungsprozess-Pfeffer wächst. „Hier entscheidet sich Wiens Zukunft!“, will die Containerwand glauben machen. Diese Zukunft – Beteiligung hin oder her – hat sich offenbar anderweitig längst entschieden.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.