Die Wurstsemmel liegt tonnenschwer in der Tasche

(c) Michaela Bruckberger
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Verzichten kann man so oder so.

Gerade die, die sonst auch nie in die Kirche gehen, schauen entrüstet auf die Extrawurstsemmel, die ich mir in der Früh aus Versehen gekauft habe. In früheren Jahren hat man ja immer genau gewusst, wann Aschermittwoch ist, weil man am Vorabend irgendwo heftig gefeiert hat und am nächsten Morgen das mit der Asche aufs Haupt sehr gut verinnerlichen konnte. Nun merkt man es vor allem daran, dass die Faschingskrapfen plötzlich verbilligt sind und überall Heringssalat angeboten wird. Dann ist es zu spät, und die Extrawurstsemmel spürt man schon tonnenschwer in der Tasche.

Ein bisschen Konfetti liegt noch herum, aber sonst ist es eindeutig vorbei mit dem Fasching. Die Kinder wollen wissen, warum es so plötzlich gehen muss. Gerade noch war die Verkäuferin beim Bäcker als Kätzchen verkleidet, es gab Luftschlangen, alles war bunt ohne Ende. Am nächsten Tag ist alles anders. Ebenso über Nacht beginnen Menschen im Umfeld mit Fasten oder kündigen zumindest Verzicht in welchen Dingen auch immer an. Das setzt einen gar nicht unter Druck.

Bei einem ungezwungenen Gespräch geht es schließlich darum, worauf man gern verzichten könnte. Auf die Sauna im Urlaubshotel, meint einer. Weil man unter gar keinen Umständen jemand Fremden nackt sehen will, den man dann später angezogen beim Abendessen sieht. Und auch umgekehrt sicher nicht in die Verlegenheit kommen will. Nur ein ausgeklügeltes Verhalten oder schwere Kurzsichtigkeit könnten einem in diesen Situationen helfen. Oder Gesichtsmasken.

Wenn es so weitergeht mit diesen milden Wintertemperaturen im Osten, kann man auf jeden Fall in Zukunft auf jegliche Kleidung aus Wolle verzichten. Und auf Rollkrägen, Stiefel und knisternde Scheite in diesen Schwedenöfen, die unbeheizt und leer nicht mehr stylisch, sondern nur traurig in der Ecke stehen. Auf diese Art von Verzicht wollen wir uns aber nicht einigen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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