Amerikanische Baukunst

(c) Reuters (LARRY DOWNING)
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Wer über die Kosten der thermischen Isolierung seiner Hausfassade beziehungsweise die dabei entstehenden Kosten greint, dem sei nur ein einziger Winter hinter einer unisolierten, unverputzten amerikanischen Hausfassade gewünscht.

Seit vor zwei Wochen eine sibirische Kaltfront nach ein paar Runden um den Nordpol beschlossen hat, über dem nordamerikanischen Kontinent abzubiegen, frieren nicht nur in Florida die Heidelbeerplantagen ein, sondern auch die Pfötchen Ihres USA-Korrespondenten beim Geschirrspülen. Jenes Rohr, welches Warmwasser von einem Boiler in unsere Küche bringt, verläuft nämlich so nahe an der nackten Ziegelfassade, dass zwei Tage unter null ausreichen, um es zufrieren zu lassen. Dankenswerterweise bleibt das anderswo verlegte Kaltwasserrohr offen, weshalb es uns wenigstens erspart bleibt, frühmorgens mit dem Kübel zum Dorfbrunnen zu wandern. (Das war jetzt ein Witz. In Washington gibt es natürlich keine öffentlichen Wasserstellen. Das ist nämlich die Hauptstadt einer fortgeschrittenen Industriesupermacht.)

Der Vermieter meint, er könne nichts machen, das liege halt an diesem verflixten Wetter. Natürlich kann er jetzt nichts machen, früher aber, bei der „Sanierung“ seiner Bude, sehr wohl. Wir wären froh, würden die Amerikaner ihre Häuser so bauen, wie die meisten Europäer es tun: eingedenk der Witterung, nicht nur cheap-cheap. Rasch betoniert man ein Fundament aus, dann stellt man einen Rahmen aus Pressholz auf und tackert eine hauchdünne Plastikfolie drüber. „Homewrap“ nennt sich dieses Produkt der Marke Tyvek, die dem Flaneur von allen amerikanischen Baustellen entgegenprangt. Schnell eine Potemkin'sche Fassade drüber, und fertig ist der amerikanische Wohnhaustraum.

Das Argument, Washington liege auf der Höhe von Lissabon, Dauerfrost sei somit eine Ausnahme, überzeugt nur den, der außer Acht lässt, dass eine isolierte Fassade auch die Kosten für das Kühlen im Sommer senkt. Von der Politik ist jedenfalls wenig Anreiz zum nachhaltigeren Bauen zu erhoffen: Die kann sich nicht einmal darauf einigen, kaputte Autobahnen zu flicken.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2015)

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