Wer wollte denn, dass er Klavier lernt

(c) Clemens Fabry
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Unlängst habe ich mit einer Frau gesprochen, die beruflich mit Übersetzungen zu tun hat. Das Allerschwierigste, sagt sie, seien Gebrauchsanleitungen.

Diese würden von Leuten übersetzt, die die jeweilige Sprache zwar meist gut beherrschen, das entsprechende Gerät oder Möbelstück (oder was auch immer) aber weder zu Gesicht bekommen noch zwangsläufig dessen Funktion verstehen. Daran muss ich denken, als es um den Aufbau eines digitalen Klaviers in vier einfachen Schritten geht. Viele, viele einfache Schritte später reden die am Aufbau involvierten Erwachsenen sehr laut miteinander, und die anfängliche Solidarität ist verschwunden. Keine unausgesprochene Zustimmung mehr wie: „Natürlich kann ich dieses unglaublich schwere Teil minutenlang für dich halten, auch wenn mir dabei der Rücken bricht.“ Stattdessen werden kurze, scharfe Befehle ausgetauscht. Halten! Nicht da, dort! Nicht bewegen! Und am Ende: Na, super!

Schuld daran ist die Bauanleitung, die winzige, abstrakte Zeichnungen mit unverständlichen Anweisungen kombiniert. Die 100 verschiedenen Schrauben, die sich nur marginal voneinander unterscheiden, werden etwa als „kurz“, „länger“ oder „dick“ charakterisiert. Darüber lässt sich dann auch herrlich diskutieren.

Deutsch ist unbrauchbar, also weichen wir auf Englisch und Französisch aus. Für einzelne Begriffe wären Wörterbücher hilfreich, die aber mittlerweile im Keller lagern, weil es ja schon alles im Internet gibt. Dafür sollte das WLAN funktionieren, in das sich ein Helfer einloggen will. Als man ihm das 17 Zeichen umfassende Passwort diktiert (mehrmals), fällt jemand anderem das schwere Teil auf den Fuß, wahrscheinlich ist die Zehe gebrochen. Im Boden ist auf jeden Fall ein Pecker, aber man verkneift sich, darauf hinzuweisen. Irgendjemand ruft nach Schnaps. Und es dauert nur noch ein paar angespannte Minuten, bis jemand sagt: „Wer hatte denn die Idee, dass er Klavier lernt?“ Gitarre ist auch super. Die kauft man auch im Ganzen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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