Barbapapas, Dinosaurier und „Die großen 10“

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In jedem Alter verfügt man über bestimmtes lexikalisches Wissen, das einem als natürlichste Sache der Welt erscheint und unbemerkt wieder verloren geht.

Oder von anderem Wissen ersetzt wird. Es gibt Kleinkinder, die alle Automarken, sogar koreanische, an den Reifen erkennen oder sämtliche Krantypen (Portalkran etc.) zuordnen können. Das ist die Lebensphase, in der man an keiner größeren Baustelle einfach vorbeigehen kann. Deswegen bleibt übrigens auch der Bau des Wiener Hauptbahnhofs unvergessen. Vielleicht wird er einige Reisende unglücklich machen, aber das wiegt das Glück nicht auf, das er zuvor so vielen Kindern geschenkt hat. Hier haben sie selig ihre Finger in die Höhe gestreckt: „Da! Swenkarmkran!“

Später geht es beim Wissen auch um Vollständigkeit. Kindergartenkinder wissen selbstverständlich, wie alle Barbapapas heißen, welche Farbe sie haben und worin sie besonders gut sind. Da Kinder sehr ungnädig sein können, wenn Erwachsene dieses Wissen nicht teilen oder beim Vorlesen ständig vor- und zurückblättern müssen, um schnell nachzuschauen, wie noch einmal das erfinderische Barbakind heißt, sind bald auch die Eltern Experten. Als nun Talus Taylor, Erfinder der zauberhaften Barbapapas, starb, war schon allein mit dem Wissensstand der Kollegen sofort klar, ob sie es jemals mit Kindern zu tun gehabt haben (oder selbst einmal eines gewesen sind). „Wie heißt der mit den Haaren?“, fragte da jemand. Also, bitte!

Aber es geht vorbei, diese Art von Wissen. Dinosaurier und Planeten schieben die Barbapapas beiseite, für Fußballspieler ist dann auch noch viel Speicherplatz vonnöten. Ob junge Menschen heute noch die Hitparadenplatzierung auswendig wissen, muss ich allerdings erst herausfinden. In dem Alter, als wir dies noch wussten, fragten wir unseren Babysitter, welches Lied der „Großen 10“ er am liebsten hatte. Er kannte kein einziges. Ein Steinzeitmensch, dachten wir erschüttert. Dinosaurier konnten wir damals keine mehr aufzählen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2015)

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