Das große Fressen

(c) Clemens Fabry
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Das vergangene verlängerte Wochenende habe ich an der wunderschönen Côte d'Opale auf der französischen Seite des Ärmelkanals verbracht.

Geplant waren lange Ausflüge entlang der windumtosten Strände gepaart mit kulinarischen Genüssen, geworden ist es im Endeffekt ein dreitägiges Gelage mit Unterbrechungen an der leider allzu frischen Luft. Grundsätzlich bin ich ja ein großer Freund der französischen cuisine de terroir. Das Problem ist nur, dass einerseits mein Magenvolumen dafür nicht ausreicht und man in Frankreich andererseits nicht einfach eine Hauptspeise bestellen kann – und dann je nach Befinden ein Dessert. Non monsieur, wer kein mehrgängiges Menü ordert, ist kein echter Mann, sondern ein Lulu.

Der Auftakt in einem Fischlokal war mit zwei Gängen noch einigermaßen überschaubar, allerdings hätte der Inhalt der Bouillabaisse locker das halbe Wiener Haus des Meeres füllen können. Am nächsten Tag fragte der Hotelier, der das Lokal empfohlen hatte (zur Grundausstattung des Zimmers gehörte eine mehrseitige Liste der besten Etablissements in der Umgebung), beim Frühstück nach den Eindrücken. Sehr schön, sagte ich, aber das Essen sei doch richtige Schwerarbeit gewesen. Als er den zweiten Kaffee servierte, lachte er noch immer darüber. Der absolute Höhepunkt folgte am Samstagabend: das Dinner in einem Landgasthaus mitten im Nirgendwo. Das offene Feuer prasselte, die rote Katze schlich durch die Stube, und es gab Snacks zum Apéritif, danach einen Gruß aus der Küche, gefolgt von der Vorspeise; als Hauptgang Kalbsbries, danach ein Tablett mit süßen Amuse-Gueules und zum Abschluss das Dessert. Alles ganz vorzüglich.

In der Nacht konnte ich nur noch auf dem Rücken liegen. Selbst der in weiser Voraussicht mitgebrachte Magenbitter half nicht mehr. Nach längerer Zeit gelang es mir einzuschlafen. Ich träumte, ich sei Mitglied einer Gruppe von Wissenschaftlern, die ins Gefängnis geworfen wurde. Als wir den Ausbruch wagten, wurden wir von den Wärtern in unsere Zellen zurückgeprügelt. Statt Schlagstöcken benutzten sie dabei dicke Würste.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)

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