Übersetzungsverluste

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Es bleibt vieles an der transatlantischen Sprach- und Kulturgrenze hängen; auch die Ironie.

Manchen Erzeugnissen der amerikanischen Industriepracht wird auch das umstrittene Handelsabkommen TTIP nicht die Pforte zur Eroberung des österreichischen Marktes aufstoßen. Meine Kaffeemühle zum Beispiel mag zwar ohnehin nicht in den USA, sondern von chinesischen Händen zusammengesetzt worden sein, der amerikanische Hersteller hat sich aber dazu bewogen gefühlt, sie „Grind Central“ zu taufen. „Grind Central“: Das taugt vielleicht als Titel einer neuer Fernsehserie von David Schalko, in den Regalen von Eduscho oder Mediamarkt jedoch würde ein derart benanntes Produkt wohl zum Ladenhüter werden.

Es bleibt vieles an der transatlantischen Sprach- und Kulturgrenze hängen; auch die Ironie. Vor mehr als einem Jahrzehnt habe ich mir ein Leibchen gekauft, das mit dem Aufdruck „Great Guns“ versehen wurde. Die „Great Guns“ sind eine fiktive Rockband aus Norwegen, ihre „Hot Bullets for Frozen Hearts Tour 1991“ führte sie von Juneau in Alaska über Qeqertarsuaq auf Grönland und das russische Magnitogorsk in die mongolische Hauptstadt, Ulan Bator. Wie gesagt, all das ist erfunden, ebenso wie das Logo dieser „Rock'n'Roll Machine from Oslo“, auf dem sich unter dem Schädel eines Elchs zwei Kalaschnikow-Gewehre kreuzen. Die Hersteller dieser T-Shirts fiktiver Musikgruppen spielten bloß mit der prachtvoll närrischen Ästhetik der Rockmusik.

Das fand und finde ich sehr erheiternd, öffentlich wage ich mein „Great Guns“-Leiberl in Washington trotzdem nicht zu tragen. In einem Land, in dem jährlich mehr als 31.000 Menschen durch Schusswaffen ums Leben kommen, darf man nicht auf ein Residuum an ironischer Selbstreflexion hoffen – vor allem nicht in der Hauptstadt, in der sich in den armen, beinahe durchwegs schwarzen Stadtteilen täglich junge Deppen gegenseitig niederschießen (und immer wieder Unschuldigen, oft Kindern, das Leben rauben).
Den Hersteller dieser T-Shirts gibt es übrigens nicht mehr. Ob wohl die „Great Guns“ ihm zu Ehren ein Abschiedskonzert gegeben haben?

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2015)

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