Zwar stirbt gerade irgendwo auf der Welt ein Rhinozeros

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Über die unbefriedigende Situation, wenn eine Doppelkonjunktion nicht aufgelöst wird.

Einerseits ist es etwas befremdlich, wenn danach nichts kommt. Sie wissen schon, wenn eine Doppelkonjunktion in einem Text nicht aufgelöst wird. Beim Lesen entsteht dadurch eine unangenehme Spannung, man wartet auf das Wort, das die Klammer schließt, doch wie nach einem sprachlichen Coitus interruptus bleibt die Erlösung aus. Immer wieder schwimmt das „andererseits“ im sprachlichen Wurstkessel des Abraham munter weiter und macht keine Anstalten, den Satz mit einer Alternative zu vervollständigen. So wie es musikalisch kaum auszuhalten ist, wenn nach dem „tam ta ta taa tam“ kein „tam tam“ ertönt. Da ist die gespannte Stille, in der alles darauf wartet, dass es zu einem Abschluss kommt. Und das ist frustrierend.

Jedes Mal, wenn in einem Text ein „zwar“ steht, das danach nicht mit einem „doch“ (notfalls auch mit einem aber) aufgelöst wird, stirbt irgendwo auf der Welt ein Rhinozeros – kein Wunder, dass Nashörner heute zu den gefährdeten Arten gehören. Entweder macht man das richtig. Und da ist sie wieder, diese Stille, in der die Finger nervös auf der Tischplatte zu klopfen beginnen. Und das sowohl in der gesprochenen Sprache, in der es nicht so auffällt. (Und jetzt spüren Sie es auch, oder? Dass die Augen ein paar Zeilen nach oben wandern und zweifelnd nachprüfen, ob man ein „oder“ und ein „als auch“ überlesen hat. Aber nein, da fehlt wirklich etwas.)

Ob Schlampigkeit oder mangelndes sprachliches Feingefühl, es gehört sich bei einer Argumentationslinie, dass einem „wenn“ ein „dann“, einem „nicht nur“ ein „sondern auch“, einem „je“ ein „desto“, einem „sowohl“ ein „als auch“ und einem „entweder“ ein „oder“ folgt. Sonst stellen sich bei Zuhörern oder Lesern gleich drei unbefriedigende Effekte ein: Erstens verstehen sie nicht, was gerade gesagt wurde. Und zweitens haben sie das Gefühl, dass am Ende noch irgendetwas fehlt.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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