Mode und Macht

CAMBODIA US MICHELLE OBAMA
CAMBODIA US MICHELLE OBAMA(c) APA/EPA/MAK REMISSA (MAK REMISSA)
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Ich glaube, die Gleichheit zwischen den Geschlechtern, wenigstens in Fragen der ökonomischen Chancen und der politischen Macht, wird erst dann erreicht sein, wenn wir nicht mehr über das Gewand von Politikerinnen diskutieren.

Ich glaube, die Gleichheit zwischen den Geschlechtern, wenigstens in Fragen der ökonomischen Chancen und der politischen Macht, wird erst dann erreicht sein, wenn wir nicht mehr über das Gewand von Politikerinnen diskutieren. Davon sind wir noch weit entfernt, und daran sind nicht nur böse Männer schuld.

Vergangene Woche etwa wandte sich Vanessa Friedman, Leiterin der Modeabteilung der „New York Times“, den Kleidern zu, die Michelle Obama bei einer Asien-Reise trug, die der Ermutigung junger Mädchen zu wissenschaftlichen Laufbahnen gewidmet war. Friedman vermeinte aus den farbenfrohen Sommerkleidern der First Lady eine subtile feministische Botschaft dechiffrieren zu können. Indem sie sich bei den Treffen so kleidete, habe sie impliziert, dass „du dich wie ein Mädchen anziehen und trotzdem davon träumen kannst, einen Doktortitel zu bekommen“. Doch wieso sollten die akademischen Aussichten einer Frau davon abhängen, welche Kleidung sie trägt? In meiner Zeit am Wiener Juridicum trugen die Kommilitoninnen von der Rockerkluft über College-Preppy-Outfits und den Döblinger-höhere-Töchter-Look bis hin zu Kopftüchern allerlei Gewänder. Es wäre mir nicht aufgefallen, dass die Güte der Noten mit einem dieser Stile korreliert hätte.

Doch Friedman holte noch weiter aus. „Wir leben in einer Ära der Merkelisierung weiblicher politischer Kleidung“, schrieb sie, in welcher der Hosenanzug die Leute so sehr langweile, dass sie über inhaltliche Fragen zu reden sich genötigt fühlten. Mit Verlaub: Der Wesensunterschied zwischen Angela Merkel und Michelle Obama ist jener, dass jene gewählte Regierungschefin ist und diese bloß Gattin eines Politikers. Was soll die Kanzlerin tragen, wenn sie morgens die CDU-Ortsgruppe Lüdenscheid trifft, mittags mit der SPD im Koalitionsausschuss zanken muss und abends in Brüssel den Euro beisammenzuhalten hat? Caprihosen?

Es ist kein Zufall, dass Merkel und Hillary Clinton, vielleicht bald die erste US-Präsidentin, für modischen Firlefanz keine Zeit haben. Ihre Uniform ist der Hosenanzug, ihr Handwerk die Staatskunst.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2015)

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