Nicht nur die Bücher hinterlassen Spuren

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Alte Bücher erzählen Geschichten über ihre Leser.

Alte Bücher lesen ist wie alte Musikkassetten hören. Man schaut sich selbst dabei zu, wie man vor vielen Jahren war, als man jünger war als halb so alt wie jetzt, und ist überrascht, wie vieles einem nichts mehr sagt und wie vieles einen immer noch berühren kann. Und wie peinlich ein Wiedersehen mit manchen Texten ist, die einem einst die Welt bedeuteten. Fast jeder kennt wohl einen Roman, der in entscheidenden Momenten des Aufwachsens wie ein schicksalshafter Ratgeber schien. Und einen viele Jahre später als platt und pathetisch langweilt.

Manche Schriftsteller aber halten ewig. Ernest Hemingway zum Beispiel, der gerade ein Revival erlebt, weil vor allem junge Songwriter seine Sprache neu entdecken. Nach dem Motto: Zurück zu den Leerstellen, geredet wurde lang viel zu viel über viel zu viel. Hauptsatz. Punkt. Hauptsatz. Und das Gefühl ist zwischen den Zeilen, da, wo es auch hingehört. Die Hemingway-Romane bleiben im Bücherregal, die funktionieren immer noch, auch wenn man vielleicht heute andere Stellen markieren würde als mit 17, als einem das Herz brach, weil die Liebe bei Hemingway so ausweglos war.

Andere Bücher könnte man weggeben, die haben ihren Zauber längst verloren. Aber sollte man sie vielleicht nicht allein deshalb behalten? Um zu sehen, wie viel sich seitdem verändert hat?

Ob ein Buch gebraucht aussehen kann oder nicht, darüber wird ja heftig gestritten. Ich finde es schön, wenn aus einem Buch Sand rieselt, weil es am Strand gelesen wurde, wenn mit Bleistift etwas hineingekritzelt wurde oder wenn ein altes Kinoticket als Lesezeichen zwischen den Seiten vergessen wurde. Deswegen werden mir auch keine Bücher mehr geborgt.

Ein gelesenes Buch, das aussieht wie neu? Nein, jeder soll seine Spuren hinterlassen. Die Beziehung zu einem Buch ist keine Einbahnstraße.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2015)

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