Neulich auf der Couch

(c) Reuters (Gleb Garanich)
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Ich liege lang ausgestreckt, mit Beinfreiheit, Kopf in angenehmem Winkel – bequemer als daheim.

Eigentlich halte ich ja nicht so viel von Therapie. Wenn Sie da in meinem Kopf herumwühlen, was soll denn da schon herauskommen? Dieses ganze freie Assoziieren klingt ja recht nett, aber in Wirklichkeit ist das alles doch nichts anderes als blöder Dadaismus, während im Hintergrund das Taxameter läuft und ich nach dieser Stunde um weitere 90 Euro erleichtert bin. Und doch hält mich etwas hier bei Ihnen, Herr Doktor. Ich fühle mich richtig wohl. Viel wohler als zu Hause. Gut, zu Hause sitzen Sie halt nicht dabei und hören zu. Und ich kann hier nicht einfach die Stereoanlage aufdrehen oder mir ein kühles Getränk aus dem Kühlschrank holen. Aber selbst das vergesse ich hier.

Im Grunde hätte ich mir den Gang zu Ihnen trotzdem sparen können. Aber ich musste ja unbedingt spontan sein, nicht lange nachdenken, was gut für mich ist. Vorher probieren, alle Möglichkeiten in Ruhe abwägen und nicht gleich zuschlagen, so geht es richtig. Aber nein, bei mir muss es immer wieder anders gehen. Schnell, schnell, das ganze einfach hinter mich bringen. Nur ja nicht zu viel nachdenken. Herr Doktor, verstehen Sie, was ich meine?

Am Ende sieht es dann immer so aus, dass ich unter der Entscheidung leide wie ein Hund. Und das nur, weil ich immer gleich genervt bin. Weil ich nicht fähig bin, aus vielen Optionen die richtige herauszusuchen. Es ist wie beim Hosenkaufen. Die erste, die ich anprobiere, die wird es. Wozu überhaupt eine zweite probieren? Und jetzt liege ich hier bei Ihnen, lang ausgestreckt, mit Beinfreiheit, den Kopf in angenehmem Winkel auf den Seitenarm gelegt. So bequem, wie es daheim niemals sein kann. Nur weil ich wieder einmal viel zu schnell Ja gesagt habe. Ich hätte mir diese verdammte Ikea-Couch nie kaufen dürfen.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2009)

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