Mach nie dein Mail auf, schau niemals rein

Unerwuenschte Werbemails / Undesirable junk mail
Unerwuenschte Werbemails / Undesirable junk mail(c) www.BilderBox.com
  • Drucken

Dies ist eine kurze Geschichte über die Kommunikation innerhalb eines größeren Unternehmens.

Dies ist eine kurze Geschichte über die Kommunikation innerhalb eines größeren Unternehmens. Bevor es E-Mail und Mobiltelefone für alle gab, hatte jeder Mitarbeiter zumindest ein Telefon mit eigener Durchwahl. Wenn es etwas zu besprechen gab, suchte man die betreffende Person aber lieber selbst auf. Denn bis man deren Nummer herausgefunden hatte, konnte man das Anliegen auch gleich persönlich klären. Es gab natürlich auch Spezialisten, die meinten, die wichtigsten Nummern auswendig zu wissen, sich aber ständig verwählten. Dann hörte man: „Deine Klappe ist zum Verwechseln mit der von der Dings.“ Also stellte man das Telefon auf lautlos oder hob gar nicht mehr ab.

Persönlicher Kontakt und ein bisschen Bewegung waren auch gar nicht so schlecht. Außerdem konnte man am Weg einen Kaffee aus dem Automaten holen und schauen, was sich sonst noch so tat. Als es dann E-Mail gab, war das eine wunderbare Zeitersparnis. Es war nicht mehr ganz so super, als es hieß, E-Mails sollten bitte innerhalb eines Tages beantwortet werden.

Mit dem Mobiltelefon konnte man wenig später die Kollegen noch viel schneller erreichen. Die verschiedenen Klingeltöne brachten uns allerdings an den Rande eines Bürgerkriegs. Die Handys wurden auf lautlos vibrieren gestellt. Und überhört. Man musste ständig die Mailbox abhören. Meistens wurde da um einen Rückruf gebeten, der sinnlos war, weil das Telefon des anderen auch auf lautlos gestellt war.

Also doch wieder E-Mail. Leider ist die Verteiler-Disziplin so schlecht, dass zu viele Nachrichten an zu viele Leute gehen. Und die Anzahl der E-Mails von außen verdreifacht sich täglich. Mails einfach gar nicht mehr aufzumachen, wird nun zum Hilfeschrei der Mobilen. „Hast du mein E-Mail nicht gelesen?“, frage ich eine Kollegin, die mich besucht. Sie schaut mich mit flackerndem Blick an: „Ich habe 637 ungelesene Mails.“

Sie ist lieber gleich zu mir gekommen. Die direkte Kommunikation wird einfach unterschätzt.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.