Küken mit Krücken

(c) APA (Yoshikazu Tsuno)
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Das Tamagotchi ist auferstanden.

Tamagotchi, sagen Sie jetzt, ist das nicht dieses Mini-Haustier to go, das in den 1990ern auch von Erwachsenen hektisch auf einem kleinen Computerei gefüttert wurde? Ja, ist es. Nun: Das Tamagotchi war als Geschenk bei einem Kindermagazin dabei und kugelt nun bei uns herum.

Das wäre an sich noch nicht schlimm, außer du hast, sagen wir, gerade einen Liegegips (ja, fragen Sie nicht!), bist allein daheim und hörst ein nerviges Piepsen aus dem Kinderzimmer. Wird schon wieder weggehen, denkst du dir. Geht aber nicht weg. Irgendwann begibst du dich auf Krücken humpelnd auf die Suche und siehe da, das virtuelle Haustier schreit, weil es Hunger hat. Jetzt könntest du natürlich sagen, hab' mich gern, aber wenn das Tamagotchi stirbt (was es bei Nicht-Fütterung tut), hast du dem Kind gegenüber einen gewissen Erklärungsbedarf. So ein Computertier zu füttern ist allerdings schwerer als gedacht. Nicht nur weil der Bildschirm klitzeklitzeklein ist, sondern das Tamagotchi auch anno 2015 von Auflösung und Handhabung so benutzerfreundlich ist wie die Spiele auf den alten Nokia-Handys. Nur noch schlechter. Da sitzt du also mit Gipsfuß, der eigentlich hochlagern sollte, und versuchst, dem Küken (oder Hasen? Oder Hello Kitty? Man erkennt es kaum) kübelweise Futter in den Schnabel zu schütten.

Dabei ist der Alltag mit Liegegips schon ohne Tamagotchi nicht ganz so flauschig. Am ersten Tag machst du dir motiviert (auf einem Bein balancierend) Kaffee mit Milch. Beim zweiten Mal überlegst du dir das mit der Milch, weil zwischen Kaffeemaschine und Kühlschrank zwei lange Meter liegen, beim dritten Mal findest du kalten Restkaffee auch ganz okay. Trinken kannst du ihn nur auf einem Bein stehend in der Küche, weil tragen Sie mal ein Kaffeehäferl auf einem Bein springend zum Couchtisch. Aber ich will mich nicht beklagen, man kommt mit Gips endlich in den Genuss des Nachmittags-TV-Programms, das vor allem aus „Monk“, „Mord ist ihr Hobby“, „Mord ist ihr Hobby“ und „Monk“ besteht. Drehst du entnervt den Fernseher ab, hörst du seltsame Geräusche aus dem Kinderzimmer. Piepst da schon wieder was?

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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