Die völlig irreale Vorfreude auf den Sommer

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Träume von etwas, was sich Leben nennt: Wie faul die heißen Tage des Jahres damals waren.

Wenn die Tage immer hektischer werden und sich weit und breit kein Ruhefenster auftut, schweifen die Gedanken zurück in die Vergangenheit: Als ein Sommer noch ein Sommer war, so, wie uns das die Werbung für Sonnencreme, Bikinis oder Hartschalenkoffer ohne Unterbrechung suggeriert – unendlich lang, unendlich faul, unendlich schön.

All das haben sie nun vor sich, die vielen Schüler in der U-Bahn, deren Lehrer gerade die letzten Tage vor Ferienbeginn mit Ausflügen in Tiergärten oder Museen überbrücken. Die Vorfreude auf eine undefinierte Zeitspanne voll Freizeit; nach einem langen, erschöpfenden Schuljahr eigentlich völlig irreal. Entspannte Tage im Bad mit Freunden, Nachmittage im Eissalon, Kinoabende und viele Träume von etwas, was sich Leben nennt. Noch müssen sie sich nicht entscheiden, wo die Reise einmal hingeht, beruflich und privat. Noch wissen sie nicht, mit wem sie dieses Leben einmal teilen werden. Sie ist schön, diese Sicherheit, Zeit zu haben, über all das nachzudenken.

Einmal im Berufsleben, ist der Tagesablauf ohne durchgeplanten Kalender für die meisten ohnehin nicht mehr vorstellbar. Sie hetzen von einem Termin zum nächsten, in der ständigen Sorge, irgendwo den Anschluss zu verpassen – und können selbst im Urlaub nicht mehr richtig entspannen. Manchmal werden sogar Treffen mit alten Freunden zur Last, weil sie uns ein kleines Stückchen mehr von unserer persönlichen Freizeit nehmen.

Dabei haben wir vielfach verlernt, die Gedanken zu ordnen und immer wieder einen Moment der Ruhe zu suchen. Was waren unsere Träume von damals, in den großen Ferien? Wir müssen aufpassen, dass sie uns nicht irgendwann, ohne dass wir es bemerken, einfach verloren gehen.

E-Mails an: anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2015)

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