Wo den Bezirksvorsteher kein Sturm verwehen kann

Doch nicht eingestürzt: Passage am Praterstern.
Doch nicht eingestürzt: Passage am Praterstern.(c) Die Presse (Wolfgang Freitag)
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Meine vorwöchigen Betrachtungen zum Anrüchigen im Allgemeinen, zu seiner wienerischsten Ausprägung, dem Zustand öffentlicher Toiletteanlagen, im Besonderen, regten Leser Hermann G. seinerseits zu toilettalen Betrachtungen an.

„Die gesamte WC-Problematik besteht darin, dass alle diese Herrschaften“ – gemeint die Verantwortlichen in Verwaltung und Stadtpolitik – „nie in der Situation sind, ein öffentliches WC benützen zu müssen!“

Nun ja, das mit dem Mangel an eigenen Erfahrungen mag da und dort schon seine Richtigkeit haben, nicht alle Entscheidungsträger tragen ihre Entscheidungen im Vollbesitz detailliertester Kenntnisse aus eigener Anschauung. Andererseits: „Alle diese Herrschaften“ können naturgemäß auch nicht überall sein, und so wollen wir, die wir es fallweise halt besser wissen, sie nach Kräften mit Hinweisen unterstützen. Etwa den Bezirksvorsteher der Leopoldstadt, der vergangene Woche via TV für die U-Bahn- und Schnellbahnstation Praterstern – wieder einmal – einen kleinen Umbau annoncierte: eine „gedeckte Shopping-Zone“, welchselbige U-Bahn und Schnellbahnhof verbinden solle. Bezirksvorsteherliche Vision: „Du kommst aus der U-Bahn und kannst direkt in das Schnellbahnhofgebäude gehen, ohne in den witterungsungeschützten Bereich zu kommen.“

Schön und gut, aber ist das nicht ohnehin längst möglich – seit sieben Jahren nämlich, seit der Eröffnung des neuen Bahnhofs Praterstern? Ein Lokalaugenschein Anfang dieser Woche macht sicher: Die ziemlich breite unterirdische Fußgängerpassage, die U1 mit U2 und Schnellbahnhof verbindet, ist nicht urplötzlich eingestürzt, sie ist noch immer da. Lieber Herr Bezirksvorsteher, seien Sie also unbesorgt: Auch ohne Umbau kann kein Regen Sie netzen, kein Sturm wird Sie verwehen, wo sich U2, U1 und Schnellbahn kreuzen. Und dass es Ihnen in Wahrheit eh nicht um den Witterungsschutz, sondern allein um das bisserl mehr Shopping getan gewesen ist, das wird ja keiner ernsthaft glauben...

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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